How reading influence your life
I wrote this memory about my relationships with reading and books on request of a group of colleagues which were looking for life reports from "passionate readers" as they though I was. Well, maybe somebody can find some hints about what should be done and avoided in order to educate pupils to good relationships with books.Wie das Lesen das Leben bestimmt.
Mein Leben ist sehr stark vom Lesen geprägt worden, aber ich habe wirklich keine Erinnerung daran, wann und wie ich das Lesen gelernt habe. Solange sie lebten, haben mir meine Eltern oft Erinnerungen aus meiner Kindheit erzählt, nie aber, wie und wann ich das Lesen gelernt habe: hatte ich Mühe oder fiel es mir leicht? Konnte ich schon vor dem Schuleintritt lesen, wie meine eigenen Kinder, oder habe ich das erst in der Schule gelernt? Vermutlich war ich in diesem Bereich weder besonders gut, noch schlecht, also ein Durchschnittsschüler. Ich weiß nur, dass ich in einem Montessori-Kindergarten war, dem ich vielleicht meine eigensinnige Einstellung zum Lernen zu verdanken habe: jedenfalls habe ich es mein Leben lang gehasst, Erklärungen zuzuhören. Immer wenn ich konnte, las ich in den Schulbüchern die Sachen, bevor die Lehrer sie erklärten, und bei den Erklärungen in der Schule beschäftigte ich mich gleichzeitig mit anderen Sachen: was mir die Ablehnung aller Lehrer brachte, vor allem auch deshalb, weil ich bei allen schriftlichen Arbeiten doch Bescheid wusste und sie mir gute Noten erteilen und mich in die nächste Klasse versetzen mussten.
Meine Eltern haben mir oft erzahlt, dass ich schon in den
ersten Grundschulklassen bei jeder Gelegenheit, wenn es darum ging, ein
Geschenk zu wählen, nur Bücher wollte. Mein Patenonkel und meine Patentante
wussten es und ließen sich wahrscheinlich in der Buchhandlung beraten,
jedenfalls erinnere ich mich, dass ich alle Bücher, die sie mir schenkten,
immer gerne gelesen habe; viele dieser Bücher besitze ich noch heute.
Und ich weiß noch ganz genau, dass ich mir bei jedem Buch
ein anderes Leben vorstellte: ich wollte mal Geograph und Entdeckungsreisender
werden, dann Matrose, dann Ingenieur, Musiker, Flieger, später Chemiker und
Physiker und vieles Andere mehr, und ich könnte heute noch mit größter
Wahrscheinlichkeit die jeweiligen
Vorstellungen über das, was ich werden wollte, auf bestimmte Bücher
zurückführen. Ich weiß nicht mehr genau, wieviele verschiedene Berufe ich mir
vorgestellt hatte, aber ich bin absolut sicher, dass ich nie durch Lektüre zum
Lehrerberuf animiert wurde. Und ich bin doch am Ende Lehrer geworden,
wenngleich nach einigen anderen Berufserfahrungen.
Meine Eltern legten zwar großen Wert auf die Schule, aber
sie hatten beide sehr jung ihre Eltern verloren, waren in Armut aufgewachsen,
auf dem Land bei Verwandten, bei denen sie schon in der frühen Kindheit
arbeiten mussten, und sie hatten deshalb lediglich die Grundschule besuchen
dürfen.
Bücher hatten sie also in ihrer Kindheit nicht gehabt, und
vielleicht legten sie deshalb großen Wert darauf, dass ich welche bekam, und
vor allem, dass ich eine gute Schulausbildung erreichen konnte, was ihnen
verwehrt worden war.
Nicht nur meine Mutter, sondern auch mein Vater las mir
vor, diese Erinnerung habe ich sehr deutlich, denn es war die einzige
Gelegenheit, bei der ich ihn Italienisch sprechen hörte: solange er lebte, hat
er mit mir nur Piemontesisch gesprochen, eine dem Altfranzösischen verwandte
Mundart, die einem nur Italienischsprechenden vollkommen unverständlich bleibt.
Auch deshalb war für mich das Vorlesen durch meinen
Vater ein besonderes Erlebnis: er kam
mir dabei wie verwandelt vor. Vielleicht ähnlich wie der Priester, der in der
Kirche Latein las, nur mit dem
Unterschied, dass ich das Italienische verstand, weil dies die Sprache meiner Mutter war.
Meine Mutter war eine bekannte Schneiderin in meiner
kleinen Geburtstadt und hatte eine große, aber vor allem vermögende Kundschaft,
denn damals konnten sich nur reiche Leute Kleider nach Maß anfertigen lassen.
Sie wurde zu den reichen Familien nach Hause bestellt, und stundenlang war sie
beschäftigt, die Damen dieser Familie
zu beraten, Stoffe und Modelle zu wählen, Kleider zu messen und anzuprobieren,
die dann die Helferinnen zu Hause zu nähen hatten.
Ich wurde sehr oft während meiner Grundschulzeit
mitgenommen, vielleicht auch als lebendes Modell, denn ich musste mich stets
festlich anziehen, mit den Kleidern, die meine Mutter nach dem letzten
Modediktat geschnitten hatte, und ich durfte, während meine Mutter die Kleider
entwarf und besprach, in der Bibliothek der jeweiligen Familie meine
Schulaufgaben erledigen.
Ich freute mich, bei bestimmten Familien zu sein,
die große Büchersammlungen hatten und mir erlaubten, die Bücher anzuschauen:
ich durfte nie Bücher ausleihen, aber ich konnte beim nächsten Besuch
weiterlesen. Ich hatte bald meine Auswahl getroffen, und wenn meine Mutter
bestimmte Familien besuchte, bei denen die Bibliothek nicht zugänglich war,
blieb ich lieber zu Hause unter der Aufsicht ihrer Näherinnen und las alte
Zeitungen.
Später, als ich den Beruf des Bautechnikers lernte,
habe ich bei der Planung von meinen Traumhäusern immer bei der Bibliothek
angefangen, und alle anderen Zimmer diesem Zentralraum zugeordnet.
Ich las auch schon sehr früh Tageszeitungen. Wir
hatten zwar keine Tageszeitung abonniert, aber für die Zeichnung ihrer Modelle
brauchte meine Mutter riesige Mengen Altpapier, und das waren damals alte
Zeitungen, die man in der Buchhandlung kiloweise kaufen konnte: bei allen
Zeitungen fehlte ein Eck an der ersten Seite, was der Händler abschneiden und
an die Zeitungsverleger zurückschicken musste, als Beweis, dass die Zeitung unverkauft
geblieben war.
Ich las also regelmäßig Zeitungen, die mehrere
Wochen alt waren und verfolgte oft bestimmte Ereignisse rückwärts oder
vorwärts, wobei immer wieder einige Tage fehlten; also musste ich die Lücken
rekonstruieren. Was mich eigentlich nicht sehr störte, denn vielmehr habe ich
selbst heute nie das Bedürfnis, zu wissen, wie ein Film oder eine Geschichte zu
Ende geht: ich ziehe es vor, mir den Ausgang selber zu erfinden, oder gleich
mehrere dazu.
Bücher besaß ich immer zu wenige für meinen Bedarf, und
ich war daher gezwungen, sie immer wieder zu lesen, bis ich bestimmte Stellen in jedem Buch mit der Zeit
auswendig konnte.
Das Lesen ist also aus ganz unprogrammierten
Umständen eine der Hauptbeschäftigungen meines Lebens geworden, eine Selbstverständlichkeit.
Schon als Kind - wie heute noch - bei
jedem Besuch oder Ausflug, überlegte
ich als erste und wichtigste Sache, welche Bücher ich mitnehmen sollte, falls es
dort keine Lesemöglichkeit geben sollte. Und ich freute mich immer besonders darauf,
wenn ich wusste, dass es bei Verwandten oder Bekannten Bücher, Zeitungen oder
Zeitschriften gab. Ich las alles, was ich fand, gelegentlich sogar die
Modezeitschriften meiner Mutter oder ihrer Kundschaft, meistens auf
Französisch, und ich vermute, ich habe mir dabei mehr Französisch angeeignet
als später in der Schule.
An die Schullektüre habe ich wenige Erinnerungen:
das Lesebuch hatte ich praktisch in den ersten Wochen schon gelesen, die
interessantesten Lektüren las immer wieder, so dass, wenn sie im Unterricht
durchgenommen wurden, ich nicht aufpasste und mir die damals üblichen Strafen
zuzog.
Die einzig schönen Texte, für die ich der Schule
dankbar geblieben bin, sind die großen Epen: die Ilias hatte ich in wenigen Wochen schon ganz gelesen, aber
ich blieb trotzdem noch so stark daran interessiert, mehr vom Lehrer darüber zu
erfahren, dass ich auch bei den Erklärungen noch gerne aufpasste und sogar
etwas vortrug, was mir die ersten und, sowie ich mich erinnern kann, auch die einzigen Lobesworte eines Lehrers in meiner ganzen Schulkarriere brachte.
Ich hatte später im technischen Gymnasium eine
Zeitlang einen starken Hass auf Literatur (wir mussten Literaturgeschichte
lernen, Interpretationen und trockene Daten, was ich absolut ablehnte): ich konnte
damals meine Versetzungen lediglich und ganz knapp nur dadurch erreichen, dass
ich immer den besten Schulaufsatz lieferte und damit die stets ungenügenden
Noten bei den mündlichen Befragungen ausgleichen konnte. Aber die Liebe zur
Literatur kam später, auf Umwegen aber
desto stärker, zusammen mit dem Interesse an den Sprachen.
Kurz nach dem Abitur hatte ich eine der vielen
Verfilmungen von Kafkas "Prozeß" gesehen. Ich weiß nich mehr, von
welchem Regisseur, aber ich weiß noch ganz genau, dass ich am nächsten Tag in
die Buchhandlung ging, um das Buch zu bestellen. Es war eine sehr gute
italienische Übersetzung, für die Luxusausgabe, die ich heute noch besitze,
musste ich das Taschengeld von mehreren Wochen aufwenden.
In den nächsten Monaten hatte ich allmählich alle
Werke Kafkas einschließlich Tagebüchern
und Briefe gelesen, die ich in italienischer Übersetzung finden konnte. Ich
habe also erst nach Verlassen der Schule das Interesse an der Literatur
wiederentdeckt. Ein Interesse, das allmählich alles andere in den Schatten
stellen sollte. Ich las in den folgenden Jahren fast ausschließlich
literarische Werke, aus der italienischen und aus der Weltliteratur.
Inzwischen hatte ich meinen Wehrdiest absolviert,
hatte eine Weile als Bautechniker und Landvermesser gearbeitet und war dann
mehrere Jahre lang Angestellter bei einer italienischen Autofirma in Turin. Ich
musste mich mit dem Bau von Prototypen, also von den neuen Autos beschäftigen,
etwas, das ich nie wirklich gemocht habe. Selber habe ich immer nur alte Autos
gehabt, aber am liebsten fahre ich mit dem Zug. Damals, während ich mich bei
der Arbeit mit den Zeichnungen der
neuen Automodelle beschäftigen musste, sammelte ich Bücher über Oldtimer. Also,
ich gebe zu, ich habe immer eine Alternative zum wirklichem Leben gebraucht.
In der gleichen Zeit beschäftigte ich mich mit
Soziologie, Ökonomie und Recht. Aber nachdem ich als Werkstudent zwei Jahre
lang Soziologie studiert hatte, merkte ich enttäuscht, wie ich in keiner
Theorie die Antworten auf die Fragen über Mensch und Gesellschaft finden
konnte, die mich damals stark
beschäftigten.
So kam in mein Leben die endgültige Wende: was ich
als Kind vielleicht erahnt hatte, wurde mir plötzlich klar: erst in der
Literatur, in den Werken der großen Dichter war der Schlüssel zu allen
Lebensfragen.
Ich gab
meinen damals gut bezahlten Beruf auf, und fing an, Literaturen und Sprachen zu
studieren - sobald ich genug Deutsch konnte las ich nochmals alle Werke Kafkas
in der Originalsprache - und promovierte schließlich als Philologe. Dann wurde
ich Lehrer für Italienisch und Fremdsprachen und Literaturen.
Und als Lehrer, hoffe ich, es ist mir meistens
gelungen, aus meinen Schülern, wenn nicht immer begeisterte Leser zu machen, in
ihnen mindestens die Freude am Lesen nicht zu ersticken. Jedenfalls habe ich
immer Wert darauf gelegt, ihnen in diesem Bereich die größte Freiheit zu
gewähren, egal, was sie lesen wollten: denn ich bin fest davon überzeugt, dass
Lektüren das Leben verändern können, aber man kann das - zum Glück - nicht
programmieren.
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