Mittwoch, 2. Januar 2013


How reading influence your life

I wrote this memory about my relationships with reading and books on request of a group of colleagues which were looking for life reports from "passionate readers" as they though I was.  Well, maybe somebody can find some hints about what should be done and avoided in order to educate pupils to good relationships with books.  

Wie das Lesen das Leben bestimmt.


Mein Leben ist sehr stark vom Lesen geprägt worden, aber  ich habe wirklich keine Erinnerung daran, wann und wie ich das Lesen gelernt habe. Solange sie lebten, haben mir meine Eltern oft Erinnerungen aus meiner Kindheit erzählt, nie aber, wie und wann ich das Lesen gelernt habe: hatte ich Mühe oder fiel es mir leicht? Konnte ich schon vor dem Schuleintritt lesen, wie meine eigenen Kinder, oder habe ich das erst in der Schule gelernt? Vermutlich war ich in diesem Bereich weder besonders gut, noch schlecht, also ein Durchschnittsschüler. Ich weiß nur, dass ich in einem Montessori-Kindergarten war, dem ich vielleicht meine eigensinnige Einstellung zum Lernen zu verdanken habe: jedenfalls habe ich es mein Leben lang gehasst, Erklärungen zuzuhören. Immer wenn ich konnte, las ich in den Schulbüchern die Sachen, bevor die Lehrer sie erklärten, und bei den Erklärungen in der Schule beschäftigte ich mich gleichzeitig mit anderen Sachen: was mir die Ablehnung aller Lehrer brachte, vor allem auch deshalb, weil ich bei allen schriftlichen Arbeiten doch Bescheid wusste und sie mir gute Noten erteilen und mich in die nächste Klasse versetzen mussten.


Meine Eltern haben mir oft erzahlt, dass ich schon in den ersten Grundschulklassen bei jeder Gelegenheit, wenn es darum ging, ein Geschenk zu wählen, nur Bücher wollte. Mein Patenonkel und meine Patentante wussten es und ließen sich wahrscheinlich in der Buchhandlung beraten, jedenfalls erinnere ich mich, dass ich alle Bücher, die sie mir schenkten, immer gerne gelesen habe; viele dieser Bücher besitze ich noch heute.

Und ich weiß noch ganz genau, dass ich mir bei jedem Buch ein anderes Leben vorstellte: ich wollte mal Geograph und Entdeckungsreisender werden, dann Matrose, dann Ingenieur, Musiker, Flieger, später Chemiker und Physiker und vieles Andere mehr, und ich könnte heute noch mit größter Wahrscheinlichkeit die  jeweiligen Vorstellungen über das, was ich werden wollte, auf bestimmte Bücher zurückführen. Ich weiß nicht mehr genau, wieviele verschiedene Berufe ich mir vorgestellt hatte, aber ich bin absolut sicher, dass ich nie durch Lektüre zum Lehrerberuf animiert wurde. Und ich bin doch am Ende Lehrer geworden, wenngleich nach einigen anderen Berufserfahrungen.

Meine Eltern legten zwar großen Wert auf die Schule, aber sie hatten beide sehr jung ihre Eltern verloren, waren in Armut aufgewachsen, auf dem Land bei Verwandten, bei denen sie schon in der frühen Kindheit arbeiten mussten, und sie hatten deshalb lediglich die Grundschule besuchen dürfen.
Bücher hatten sie also in ihrer Kindheit nicht gehabt, und vielleicht legten sie deshalb großen Wert darauf, dass ich welche bekam, und vor allem, dass ich eine gute Schulausbildung erreichen konnte, was ihnen verwehrt worden war.

Nicht nur meine Mutter, sondern auch mein Vater las mir vor, diese Erinnerung habe ich sehr deutlich, denn es war die einzige Gelegenheit, bei der ich ihn Italienisch sprechen hörte: solange er lebte, hat er mit mir nur Piemontesisch gesprochen, eine dem Altfranzösischen verwandte Mundart, die einem nur Italienischsprechenden vollkommen unverständlich bleibt.
Auch deshalb war für mich das Vorlesen durch meinen Vater ein besonderes Erlebnis:  er kam mir dabei wie verwandelt vor. Vielleicht ähnlich wie der Priester, der in der Kirche Latein las,  nur mit dem Unterschied, dass ich das Italienische verstand,  weil dies die Sprache meiner Mutter war.

Meine Mutter war eine bekannte Schneiderin in meiner kleinen Geburtstadt und hatte eine große, aber vor allem vermögende Kundschaft, denn damals konnten sich nur reiche Leute Kleider nach Maß anfertigen lassen. Sie wurde zu den reichen Familien nach Hause bestellt, und stundenlang war sie beschäftigt, die Damen  dieser Familie zu beraten, Stoffe und Modelle zu wählen, Kleider zu messen und anzuprobieren, die dann die Helferinnen zu Hause zu nähen hatten.
Ich wurde sehr oft während meiner Grundschulzeit mitgenommen, vielleicht auch als lebendes Modell, denn ich musste mich stets festlich anziehen, mit den Kleidern, die meine Mutter nach dem letzten Modediktat geschnitten hatte, und ich durfte, während meine Mutter die Kleider entwarf und besprach, in der Bibliothek der jeweiligen Familie meine Schulaufgaben erledigen.
Ich freute mich, bei bestimmten Familien zu sein, die große Büchersammlungen hatten und mir erlaubten, die Bücher anzuschauen: ich durfte nie Bücher ausleihen, aber ich konnte beim nächsten Besuch weiterlesen. Ich hatte bald meine Auswahl getroffen, und wenn meine Mutter bestimmte Familien besuchte, bei denen die Bibliothek nicht zugänglich war, blieb ich lieber zu Hause unter der Aufsicht ihrer Näherinnen und las alte Zeitungen.
Später, als ich den Beruf des Bautechnikers lernte, habe ich bei der Planung von meinen Traumhäusern immer bei der Bibliothek angefangen, und alle anderen Zimmer diesem Zentralraum zugeordnet.

Ich las auch schon sehr früh Tageszeitungen. Wir hatten zwar keine Tageszeitung abonniert, aber für die Zeichnung ihrer Modelle brauchte meine Mutter riesige Mengen Altpapier, und das waren damals alte Zeitungen, die man in der Buchhandlung kiloweise kaufen konnte: bei allen Zeitungen fehlte ein Eck an der ersten Seite, was der Händler abschneiden und an die Zeitungsverleger zurückschicken musste, als Beweis, dass die Zeitung unverkauft geblieben war.
Ich las also regelmäßig Zeitungen, die mehrere Wochen alt waren und verfolgte oft bestimmte Ereignisse rückwärts oder vorwärts, wobei immer wieder einige Tage fehlten; also musste ich die Lücken rekonstruieren. Was mich eigentlich nicht sehr störte, denn vielmehr habe ich selbst heute nie das Bedürfnis, zu wissen, wie ein Film oder eine Geschichte zu Ende geht: ich ziehe es vor, mir den Ausgang selber zu erfinden, oder gleich mehrere dazu.
Bücher besaß ich immer zu wenige für meinen Bedarf, und ich war daher gezwungen, sie immer wieder zu lesen, bis ich  bestimmte Stellen in jedem Buch mit der Zeit auswendig konnte.
Das Lesen ist also aus ganz unprogrammierten Umständen eine der Hauptbeschäftigungen meines Lebens geworden, eine Selbstverständlichkeit. Schon als Kind - wie heute noch -  bei jedem Besuch oder Ausflug,  überlegte ich als erste und wichtigste Sache, welche Bücher ich mitnehmen sollte, falls es dort keine Lesemöglichkeit geben sollte. Und ich freute mich immer besonders darauf, wenn ich wusste, dass es bei Verwandten oder Bekannten Bücher, Zeitungen oder Zeitschriften gab. Ich las alles, was ich fand, gelegentlich sogar die Modezeitschriften meiner Mutter oder ihrer Kundschaft, meistens auf Französisch, und ich vermute, ich habe mir dabei mehr Französisch angeeignet als später in der Schule.
An die Schullektüre habe ich wenige Erinnerungen: das Lesebuch hatte ich praktisch in den ersten Wochen schon gelesen, die interessantesten Lektüren las immer wieder, so dass, wenn sie im Unterricht durchgenommen wurden, ich nicht aufpasste und mir die damals üblichen Strafen zuzog.
Die einzig schönen Texte, für die ich der Schule dankbar geblieben bin, sind die großen Epen: die Ilias hatte ich  in wenigen Wochen schon ganz gelesen, aber ich blieb trotzdem noch so stark daran interessiert, mehr vom Lehrer darüber zu erfahren, dass ich auch bei den Erklärungen noch gerne aufpasste und sogar etwas vortrug, was mir die ersten und, sowie ich mich erinnern kann, auch  die einzigen  Lobesworte eines Lehrers in meiner ganzen Schulkarriere brachte.
Ich hatte später im technischen Gymnasium eine Zeitlang einen starken Hass auf Literatur (wir mussten Literaturgeschichte lernen, Interpretationen und trockene Daten, was ich absolut ablehnte): ich konnte damals meine Versetzungen lediglich und ganz knapp nur dadurch erreichen, dass ich immer den besten Schulaufsatz lieferte und damit die stets ungenügenden Noten bei den mündlichen Befragungen ausgleichen konnte. Aber die Liebe zur Literatur kam später, auf Umwegen aber  desto stärker, zusammen mit dem Interesse an den Sprachen.
Kurz nach dem Abitur hatte ich eine der vielen Verfilmungen von Kafkas "Prozeß" gesehen. Ich weiß nich mehr, von welchem Regisseur, aber ich weiß noch ganz genau, dass ich am nächsten Tag in die Buchhandlung ging, um das Buch zu bestellen. Es war eine sehr gute italienische Übersetzung, für die Luxusausgabe, die ich heute noch besitze, musste ich das Taschengeld von mehreren Wochen aufwenden.
In den nächsten Monaten hatte ich allmählich alle Werke Kafkas einschließlich  Tagebüchern und Briefe gelesen, die ich in italienischer Übersetzung finden konnte. Ich habe also erst nach Verlassen der Schule das Interesse an der Literatur wiederentdeckt. Ein Interesse, das allmählich alles andere in den Schatten stellen sollte. Ich las in den folgenden Jahren fast ausschließlich literarische Werke, aus der italienischen und aus der Weltliteratur.
Inzwischen hatte ich meinen Wehrdiest absolviert, hatte eine Weile als Bautechniker und Landvermesser gearbeitet und war dann mehrere Jahre lang Angestellter bei einer italienischen Autofirma in Turin. Ich musste mich mit dem Bau von Prototypen, also von den neuen Autos beschäftigen, etwas, das ich nie wirklich gemocht habe. Selber habe ich immer nur alte Autos gehabt, aber am liebsten fahre ich mit dem Zug. Damals, während ich mich bei der Arbeit mit den  Zeichnungen der neuen Automodelle beschäftigen musste, sammelte ich Bücher über Oldtimer. Also, ich gebe zu, ich habe immer eine Alternative zum wirklichem Leben gebraucht.
In der gleichen Zeit beschäftigte ich mich mit Soziologie, Ökonomie und Recht. Aber nachdem ich als Werkstudent zwei Jahre lang Soziologie studiert hatte, merkte ich enttäuscht, wie ich in keiner Theorie die Antworten auf die Fragen über Mensch und Gesellschaft finden konnte, die  mich damals stark beschäftigten.
So kam in mein Leben die endgültige Wende: was ich als Kind vielleicht erahnt hatte, wurde mir plötzlich klar: erst in der Literatur, in den Werken der großen Dichter war der Schlüssel zu allen Lebensfragen.
Ich  gab meinen damals gut bezahlten Beruf auf, und fing an, Literaturen und Sprachen zu studieren - sobald ich genug Deutsch konnte las ich nochmals alle Werke Kafkas in der Originalsprache - und promovierte schließlich als Philologe. Dann wurde ich Lehrer für Italienisch und Fremdsprachen und Literaturen.

Und als Lehrer, hoffe ich, es ist mir meistens gelungen, aus meinen Schülern, wenn nicht immer begeisterte Leser zu machen, in ihnen mindestens die Freude am Lesen nicht zu ersticken. Jedenfalls habe ich immer Wert darauf gelegt, ihnen in diesem Bereich die größte Freiheit zu gewähren, egal, was sie lesen wollten: denn ich bin fest davon überzeugt, dass Lektüren das Leben verändern können, aber man kann das - zum Glück - nicht programmieren.

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