Freitag, 24. Mai 2013

 Was weder die „Alternative für Deutschland“ noch ihre Kritiker zu sagen wagen. Eine Alternative, die keine ist.  



„Nicht Deutschland soll den Euro verlassen, sondern die südeuropäischen Staaten“, sagt der Vorsitzende der neu gegründeten Anti-Euro-Partei, Bernd Lucke, der Sonntagszeitung.

Für die Beibehaltung der Einheitswährung für alle 17 Staaten, die jetzt in der Eurozone sind, plädiert dagegen Dennis Snower, der Präsidenten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, über die Zukunft des Euro. (Der Artikel ist in der FAZ vom 18.5.2013 zu lesen).


Beide - Bernd Lucke und Dennis Snower - haben für die Abschaffung bzw. Beibehaltung des Euro gute Argumente.

Die entscheidende Frage fehlt aber in dem ganzen Gespräch: kann man eine Einheitswährung ohne die minimalen Bedingungen und gegen die grundsätzlichen Prinzipien der Ökonomie durchsetzen?

 Nebenfragen: Wozu und wie lange?

Fangen wir mit der einfachsten Frage an: wozu?

Eine wirtschaftliche Einheit, so wie bisher die EU konzipiert war und ist, braucht überhaupt keine Einheitswährung, wenn sie im Zeichen gegenseitiger Kooperation und Respekt der nationalen Unterschieden funktionieren soll.

Nur die Beibehaltung der nationalen Währungen verleiht dagegen den einzelnen Staaten des Bündnisses die Möglichkeit, sich Respekt zu verschaffen und verhindert, dass eines oder mehrere Länder wegen struktureller besserer Produktivität (oder mit Lohndumping) die anderen Staaten wirtschaftlich ruinieren. Deutlicher gesagt, ohne Euro wären die Probleme Griechenlands, Italiens, Spaniens, Portugals und Irlands (die sog. PIIGS) gar nicht entstanden. Höchstens, Deutschland hätte eventuell Probleme mit der Arbeitslosigkeit gehabt, denn durch Abwertung der eigenen Währungen hätten die o.g. Länder ihre Marktanteile am Export gegenüber Deutschland gut verteidigen können.


Damit ist auch schon ein Teil der ersten Frage beantwortet, d.h., WER aus dem Euro einen spektakulären Gewinn erzielt hat, ist nur ein Staat: Deutschland. Und genauer besehen, nur die dortigen Profiteure: Industrielle, Finanzinstitute, Aktieninvestoren: denn selbst in ‚Deutschland habe alle anderen eher verloren. Dieses Resultat wurde nämlich überwiegend durch Lohndumping, also Lohnverzicht und Abbau der Arbeitsrechte, was die Entstehung von eines "legalen" grauen bis schwarzen Markts erlaubt hat: Lohnarbeit, Zeitarbeit, Ein-Euro Jobs, usw. Und die Kosten dieser verheerenden Arbeitspolitik sind die "nominell" gesunkenen Arbeitslosenzahlen, besser gesagt die Umverteilung der Arbeitslosigkeit auf Zeitarbeit oder in den florierenden Niedriglohnsektor, wobei, wenn Arbeiter nicht mehr dadurch die Familie ernähren können, sie Zuschüsse vom Staat (auf Kosten der Steuerzahler) erhalten, was nichts anderes ist, als eine verdeckte Bezuschussung der Arbeitgeber. Als logische und beabsichtigte Folge sehen wir täglich beide Aspekte: einerseits immer mehr Familien, die am Rand oder unter der rleben, andererseits grandios steigende Gewinne für die Arbeitgebe. Der DAX als Thermometer dieser sozialwidrigen Umverteilung von unten nach oben misst täglich neue historische Rekorde in die Höhe.

Diese unleugbaren Tatsachen vorausgesetzt, sind die anderen Nebenfragen leicht erklärt: Die Einführung einer Einheitswährung ohne jegliche Voraussetzung ist zwar möglich, aber nur, wenn andere Interessen verfolgt werden als die ökonomische Kooperation, also, um deutlicher zu sein, wenn einer oder mehrere Staaten des Bündnisses wirtschaftlich stärker sind und so agieren, dass sie die Kosten auf die anderen umwälzen können.

 
Dabei drängt sich eine neue Frage auf: Waren die anderen Staaten, die offensichtlich wissen mussen, dass sie nicht Schritt halten konnten, so dumm, dass sie die Folgen nicht ahnen konnten? Die Antwort ist leider einfach: Sie waren einerseits von korrupten Politikern geführt, die mit dem Euro die Möglichkeit sahen, kurzfristig ihre Macht zu sichern: Durch Wahlgeschenke und Erhöhung der öffentlichen Ausgaben, denn der Euro sicherte niedrige Finanzierungskosten für die aufgeblähten und oft unsinnigen Staatsausgaben.

Papadopulos, Berlusconi und alle anderen PIIGS-Politiker haben zunächst davon profitiert und konnten die Eurolüge lange sehr gut verkaufen, denn in den jeweiligen Parlamenten gab es keine ernstzunehmende Opposition mehr, bzw. hatten sich die formell Oppositionsparteien mit den Machthabern arrangiert, um für sich einen Teil der Beute zu sichern.

Ganz krass war dies der Fall von Italien, wo die PD (Demokratische partei, Ex- Kommunisten) nicht einmal in den Jahren, als sie die Regierung stellte die geringste Maßnahme ergriff, um die skandalöse Verflechtung von Berlusconis Politik und private Geschäfte zu regeln (erst die Gerichte haben zuletzt die Straftaten  Berlusconis verurteilt, aber es ist gut möglich, dass die jetzt mitregierende PD ihm nochmals einen Ausweg garantiert und ihn von der Strafe rettet.

Ein historischer Fall von schamloser Korruption und Wahlbetrug: eine fingierte Opposition die gleich nach der Wahl das Gegenteil praktiziert, versprochen.   

 
Am Ende konnte jedoch dieses korrupte System nicht überleben: Es kam unweigerlich die Rechnung, und die war  nicht mehr zu bezahlen. Dann blieben nur noch zwei Alternativen: Staatsbankrott (aber dabei unweigerlich Machtverlust) oder Betteln beim großen Bruder, der mit dem Euro viel gewonnen hat: Deutschland.

Dass sich dabei diese Staaten (gemeint sind die "PIIGS") selber und ohne Not zu "Bettlerstaaten" erniedrigt haben und die ganze Entscheidungsmacht über die Staatsausgaben leichtsinnig an die extra dafür geschaffene Euro-Behörde (von Deutschland dominiert, selbstverständlich) übertragen haben, hat schon Schlimmes hervorgebracht (bisher nie dagewesene Arbeitslosigkeit und Rezession!) und wird noch dramatischere Folgen haben, denn die Zukunft einer ganzen Generation - die jungen Arbeitslosen - steht auf dem Spiel.


Die letzte Frage bleibt offen: Wie lange noch werden die Völker Europas diese Massenvernichtungswaffe der Ersparnisse und der Arbeit ertragen wollen oder auch nur können?
Die Straßen der betroffenen Länder geben fast täglich eine eindeutige Antwort: Die Grenze des Ertragbaren ist erreicht und wird bald überschritten. Was nacher geschehen wird, kann niemand mit Sicherheit voraussehen. Aber ahnen schon. Heinrich Brüning hatte 1930 bis 33 die Folgen seiner katastrophalen Sparpolitik übersehen. Hoffen wir, dass sich die Geschichte nicht wiederholt, diesmal in ganz Europa.

  

Ist also die neue Partei "Alternative für Deutschland" die Lösung?

Nein. Diese Partei beabsichtigt lediglich die Rettung des Status quo: Die Abschaffung der Arbeiterrechte und die Umverteilung von Unten nach Oben sollen bleiben, und auch die Bändigung der Einwanderung lassen diese Partei eher als eine vornehmere, gemäßigte, aber in der Substanz gleichwertige Kopie der fremdenfeindlichen "Front National" von Marie le Pen in Frankreich erscheinen.

Nicht weil dies eine "Partei von "Professoren" wäre (was für eine dumme Kritik !).

Meine Ablehnung richtet sich gegen das Fehlen jeglicher sozialpolitischen Absicht. Denn das Problem ist nicht die Rettung von Deutschlands Profiteuren ... von sich selber, also Gewinne absichern, aber nicht zu weit gehen, sonst sind die erreichten Privilegien in Gefahr (dies ist der wahre Grund wofür diese Partei für den Ausstieg aus dem Euro plädiert).

 

Die Opposition zu der von vorne herein gescheiterten Einheitswährung begründe ich, wie die meisten freien Ökonomen in- und außerhalb Europas, mit der Notwendigkeit, die europäische Wirtschaftszone demokratisch entwickeln zu lassen, und die neoliberale nur profitorientierte Politik durch eine Rückkehr zur sozialen Marktwirtschaft zu ersetzen. Die als dogmatische Religion verkommene Anbetung der "Produktivität und Konkurrenzfähigkeit" als oberstes Ziel muss dringend durch eine menschlichere Aufwertung der Arbeit als Recht von allen Bürgern und nicht als Geschenk/Zwang/Verdammung von oben ersetzt werden.

 
Wenn die Profite nur noch bei Lohnverzicht und Stellenreduzierung erreicht werden, und die Früchte der Arbeit sich auf immer weniger Hände beschränken und den Profiten für wenige die Misere der Massen entspricht, ist keine Gesellschaft demokratisch zu führen.
Früher oder später werden die Spannungen zu autoritären Lösungen führen, wovon schon jetzt der "Fiscal compact" ein unübersehbarer Vorbote ist.

Wenn Kanzlerin Merkel immer die gleiche Litanei wiederholt, wonach es zum Euro keine Alternative gebe, müsste man hinzufügen "nur wenn die wahre Absicht ist, die Demokratie in Europa abzuschaffen, und ein "Neoliberales finanzgesteuertes arbeiterfeindliches IV. Reich" zu gründen.


Wenn dagegen die Einheit und der Frieden in Europa gerettet werden sollen und die Wirtschaftsordnung dem Wohl der Völker und nicht deren Misere dienen soll, dann ist die Alternative wohl gegeben:

- Euro als Fehlentscheidung erkennen und zurück zu den Nationalwährungen;
-    Abstimmung der Wirtschaftleistungen ohne Dumpingpolitik;

-   Wiedereinführung der Grundrechte auf Arbeit und soziale Sicherheit;

-  echte und nicht wie jetzt lasche und scheinbare Bankregulierung und Abstimmung der Fiskalpolitik in ganz Europa; und last but not least:

-  Sofortmaßnahmen, um die unsinnige Sparpolitik zu beenden (und auf die Zeit nach der Wirtschaftserholung zu verschieben) und alle Anstrengungen auf die Wiederbelebung der Ökonomie konzentrieren.

 Leider gehören solche Punkte bei keiner der zur Wahl stehenden deutschen Parteien zum Programm, daher muss man zugeben, dass es weder zum Euro noch zu seiner Abschaffung eine Alternative gibt: wir werden noch lange mit der Lüge leben müssen.

 







Samstag, 18. Mai 2013

 
Ein Gespenst geht um in Europa ... die Rezession kennt keine Grenze (der DAX auch nicht!)


Nein, es ist kein Gespenst, es ist bittere Realität in allen südeuropäischen Ländern, jetzt auch in Frankreich und bald in Deutschland. Der Winter war es nicht - oder vielleicht doch, aber im übertragenen Sinne: als Winterstarre im Gehirn derjenigen, die Sparmaßnahmen als Wundermedizin gegen die Krise verordnet haben. Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Bankenkrise?
Ja und nein: die eigentliche Krise ist eine politische Fehlentscheidung, ein Kapitalfehler. Es war die Abschaffung aller Regulierungen am Finanzmarkt und die Deregulierung der Arbeitsbeschäftigung. Mit der Illusion, dass mit provisorischen Jobs, Zeitarbeit, Leiharbeit, Ein-Euro-Job und ähnliche „Wundererfindungen“ die Arbeitslosigkeit reduzieren zu können.
Aber als Resultat stehen jetzt Millionen da, die mit Ihrer Arbeit allein keine Familie ernähren können und auf staatliche Zuschüsse angewiesen sind. Daimler und Amazon sind nur die Spitze des Eisberges.
Gleichzeitig sind die Profite in der Industrie und bei den Investoren enorm gewachsen, der DAX am historischen Höchststand, negative Rendite für Sparguthaben, also Finanzierung der Staatsausgaben durch Entwertung des Ersparten.
Ebenfalls Parallel zum o.g. Trend, höchste Arbeitslosigkeit und Rezession im Resteuropa. Und jetzt Heimkehr der Rezession. Kein Staat kann auf Dauer mit der „beggar your neighbour“  Politik, also durch Exporte die ausländischen Märkte erobern und die dortige Industrie vernichten, ohne später selber in die Falle zu  kommen.
Diese Fehlentwicklung war zum guten Teil gewusst und gewollt, denn es geht schon lange auch in Deutschland nicht mehr um eine „Soziale Marktwirtschaft“, sondern lediglich um die Maximierung der Profite um jeden Preis und gegen jede Vernunft.
 Man kann zwar noch eine Weile diese Politik weitertreiben, und auch noch die Substanz aus den gebeutelten Südländern erbeuten (qualifiziertes Personal anwerben, zum Nulltarif für dessen Ausbildungskosten), aber dann wird sich die Frage nach den Käufern der „kompetitiv“ erzeugten Produkte stellen. Der Export wird zum Stillstand kommen, diese Entwicklung  ist schon deutlich zu sehen.
Die Prinzipien, die zur Gündung der Europäischen Union führten,(die berühmten „Römischen Verträge" 1957) scheinen insgesamt aufgehoben:
In der Präambel erklären die Unterzeichner des Vertrages als Ziele:
„den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt ihrer Länder zu sichern“
die stetige Besserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen ihrer Völker als wesentliches Ziel anzustreben,“
einen ausgewogenen Handelsverkehr und einen redlichen Wettbewerb zu gewährleisten“,
 „harmonische Entwicklung zu fördern, indem sie den Abstand zwischen einzelnen Gebieten und den Rückstand weniger begünstigter Gebiete verringern“.
Wie weit entfernt von diesen Zielen Europa gekommen ist, kann jeder beurteilen: es scheint, als ob der Weg gerade in die entgegengesetzte Richtung laufen würde !!
Es ist noch nicht zu spät, um politisch zur Besinnung zu kommen, aber der Weg dahin verlangt die Anerkennung der begangenen Fehler und den Willen, sie zu beseitigen.
Der erste dringende Schritt ist entweder die Rückkehr zu den Nationalwährungen, oder die
Verallgemeinung der Kreditrisiken durch Einführung der Euroanleihen (Eurobonds). Denn nur wenn die wirtschaftlich schwächeren Mittelmehrländer die Zeit bekommen, mit niedrigeren Zinsen Neuinvestitionen zu starten, für die „Reindustrialisierung“ für die Stärkung der Produktion, und für Modernisierung der Infrastrukturen kann Europa als Union die Rezession beenden.      
Ohne eine grundlegende Änderung der Wirtschafts- und Finanzpolitik, weg von den neoliberalen Illusionen eines sich selbst regulierenden Marktes und hin zu einer neugestalteten sozialen Marktwirtschaft mit allen nötigen Anreizen aber auch Regulierungen riskiert Europa, nicht nur das Ende der wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch der Demokratie und schließlich die Auflösung der Union.