Donnerstag, 3. Januar 2013



Filosofia e religione: 15 tesi

Considero il pensiero speculativo religioso (cioé il tentativo di dare una risposta -impossibile da verificare- alla domanda fondamentale dell'esistenza:"da dove veniamo/dove andiamo?") un diritto fondamentale inalienabile che nulla ha in comune con le "religioni" in quanto sistemi dottrinari dogmatici: e reputo le Chiese in quanto istituzioni come il peggior male dell'umanità, come dimostrano dall'antichitá in poi gli enormi spargimenti di sangue e tutte le più efferate crudeltà commesse dietro giustificazioni religiose.
E' vero che non tutte le Chiese sono da mettere sullo stesso piano, e che addirittura ne esistono di pacifiche e libertarie (es. quella Hussita o quella Valdese: ma proprio per questo sono e restano piccole comunità poiché prive, per loro fortuna, dell'elemento perverso della ricerca del potere e della costrizione dogmatica per evangelizzare assoggettando).
Nelle mie riflessioní religiose, intese nel senso più ampio sopra descritto, mi è stata di costante ispirazione il pensiero di Giordano Bruno, la cui performance di libero pensatore é insuperabile, quasi da Guiness dei record, poiché riuscí a collezionare ben tre scomuniche: dalla chiesa calvinista, da quella luterana e da quella cattolica. E ne avrebbe forse collezionate altre se il criminale "Santo Uffizio" non l'avesse fatto bruciare vivo, salvo poi a pentirsene quattro secoli dopo (uno dei pochi ma indiscutibili meriti del Papa Polacco nel 2000). 
Sinteticamente mi definisco per comoditá di espressione "panteista dubitante" (ma con un limite: se un essere superiore creatore esistesse, esso sarebbe sí onnipresente, ma giammai minimamente presente nelle Chiese come istituzioni). In esse, o almeno nella maggior parte con pochi dubbi vedo invece risiedere l'opposto dell' essere superiore creatore, e cioé quello che volgarmente si chiama "demonio", "diavolo", "satana", "belzebú", da non confondere con quello che in una novella boccaccesca un frate vuol emettere nell'inferno e che invece è, nel suo piccolo (non sempre ...) artefice di creazione.  
Le seguenti tesine dovevano servire come base per uno scambio di vedute con altri interessati da riportare poi in una pubblicazione specifica. Questo progetto non è stato finora realizzato ma nemmeno abbandonato: per questo riporto qui lo scritto, disponibile solo in tedesco ma che tradurrò in italiano quando troverò il tempo. La speculazione su questi temi può sembrare oziosa, ma se vista come strumento per smascherare le pretese totalitaristiche delle Chiese riveste indubbia valenza politica. Dunque i contributi di ogni tipo (anche di segno opposto) sono graditi.


RELIGION, MACHT UND VERNUNFT :  15 THESEN

Ein Versuch über die Verstrickung von Glauben, Jenseitsvorstellungen, Kirchenmacht, Gewalt und Politik. (Graziano Priotto, Universitäten  Konstanz und Prag) – Frühjahr 2007

1) Alle Religionen entsprechen einem universellen menschlichen Bedürfnis nach Erklärung der Existenz.

2) Der Mensch hat keine Möglichkeit, seine Existenz lediglich vermittels der Wissenschaft oder  der Philosophie  vollständig zu verstehen und zu erklären.

3) Die Frage nach dem Ursprung des menschlichen Lebens sowie der Welt (Kosmos, Universum) muss also zwangsläufig unbeantwortet bleiben. Dass es aber einen Ursprung aller Dinge gegeben haben muss, ist die logische Konsequenz und der einzige feste Punkt aller Überlegungen über Religion.

4) Die Menschen haben in allen Kulturen verschiedene Religionen konstruiert und mindestens zum Teil ihr persönliches und gesellschaftliches Leben nach dem Glauben an die Wahrheit dieser Konstruktionen orientiert.

5) Die Verschiedenheit der Religionen ist ein Beweis, dass alle Religionen zweckmäßige menschliche Erfindungen sind.

6) Alle Religionen sind im Hinblick auf die existentielle Frage (Woher kommen wir? Wohin gehen wir?) zweckmäßig, und zwar als Hilfe zur Sinngebung des Lebens.

7) Je mehr eine Religion normiert und sich als Kirche organisiert, desto mehr entfernt sie sich vom ursprünglichen Zweck, und wird Zwang- und Machtinstrument. Die letzte Stufe in diesem Prozess ist die Verschmelzung der politischen mit der religiösen Macht.

8) Die Gefährlichkeit einer Religion (gemessen an ihren Gewaltpotentialen und an der Bereitschaft, zur Unterdrückung derjenigen, die sich nicht unterwerfen wollen) steht im umgekehrten Verhältnis zu:
a)  der Anzahl der vertretenen Götter, also je mehr Götter, desto weniger Dogmatismus und je mehr Freiheit für die Gläubigen; und umgekehrt, je weniger Götter, desto mehr Glaubenszwang (wobei die monotheistischen Religionen die weithin gefährlichsten sind);
b)  die Genauigkeit der Glaubensfestlegung (Dogmatisierung): je mehr Dogmen, desto weniger Freiheit, desto mehr Gewaltbereitschaft für die Durchsetzung des Wahrheitsanspruches;
c) die Rigidität der Überlieferungsstruktur (die Macht und nicht Hinterfragbarkeit der Priesterstruktur und Liturgie hat sowohl defensive als auch strategische Bedeutung, um die Befestigung der Macht und Verbreitung des eigenen Glaubens auf Kosten anderer Religionen).

9) Die Religionen tendieren dazu, schriftliche Quellen als Wort ihrer jeweiligen Götter festzulegen, um damit je als Einzige wahre Erklärungen der Frage nach Ursprung und Werdegang der Menschheit und der Welt zu geben.
10) Eine Rückkehr zum ursprünglichen Zweck (also die Reduzierung der Religionen auf ihre sinnvolle Funktion als Erklärungsversuche des Daseins, gleichberechtigt mit anderen Formen wie Mythen und Sagen) ist nur durch die gegenseitige Akzeptanz und den Verzicht auf den Alleinanspruch auf die Wahrheit möglich.   

11) Solange eine Religion ihren menschenverachtenden Alleinanspruch auf Wahrheit -Ankündigung nicht aufgibt, wird sie stets zur Verfügung der politischen Machtinhaber stehen, und an der Macht teilhaben müssen.
Daher sollten soviele Religionen wie möglich zugelassen  werden.

12) Die Identifizierung der Völker mit einer oder wenigen verwandten Religionen stellt ein unüberwindliches Hindernis auf dem Weg zur Entmachtung der Religionen und Kirchen und für die Befreiung des Glaubens von ihrem Gewaltpotential dar.

13) Ein Volk wird umso mehr Freiheit und Fortschritt genießen, je mehr Religionen von ihm praktiziert werden. Historische Beispiele haben dies längst bewiesen (z.B. Christen, Juden, Muslime auf der iberischen Halbinsel vor der katholischen „Reconquista“ 1492).

14) Die Verschiedenheit der Religionen findet eine Entsprechung in jener der Sprachen: und genauso wenig  wie eine einzige Sprache den Anspruch erheben kann, die Welt besser als alle anderen zu beschreiben, so kann keine Religion sich als einzige „wahre“ selbst erklären.

15) Ein Mensch gilt so viel, wie die Sprachen die er/sie beherrscht: eine Nation gilt dementsprechend auch nur so viel, wie die Anzahl der Religionen, die ihre Bürger uneingeschränkt praktizieren dürfen.  

Präambel
Da es in folgender Abhandlung um die persönliche Einstellung zu einem menschlichen Problem geht, erscheint es mir notwendig, die Voraussetzungen meiner Gedanken darzulegen, denn wenn schon in den Naturwissenschaften die absolute Objektivität nicht existiert (die Forscher verändern zwangsläufig die Objekte ihrer Untersuchungen) kann in Fragen des Glaubens noch weniger vom persönlichen Werdegang abstrahiert werden. 
Weil es nach Max Weber das oberste Ziel aller Forschung ist, die Resultate so darzustellen, dass sie vom weiteren und genaueren Forschen in ihren fehlerhaften Teilen widerlegt  werden, so wird durch die Darstellung der persönlichen Vorgeschichte die Überprüfbarkeit der Thesen  erleichtert.

Die Existenz und das Nichts 
Schon als Grundschulkind hat mich eine Frage oft beschäftigt: wer hat Gott geschaffen?
Da ich katholisch erzogen wurde, war für mich die Frage „Wer hat uns geschaffen“ zunächst beantwortet, aber genauso stark wie ich diese Antwort glaubte, blieb für mich immer als logische Konsequenz die Frage nach dem Ursprung Gottes.
Ich erinnere mich an das überlegene Lachen eines Pfarrers auf meine diesbezügliche Frage: „Du hast beim Katechismus nicht aufgepasst, sonst wüsstest du, dass Gott sich selber geschaffen hat, er ist doch der Anfang aller Sachen“.
Wiederum war dies für mich keine Antwort, denn um sich selber zu schaffen muss wohl jemand oder etwas schon existieren. Und so kam ich auf die Vorstellung vom „Nichts“. Oder vom Vor-Anfang. Vor dem Anfang musste es doch etwas wie einen Vor-Anfang gegeben haben, eine „Leere“ ein „Vakuum“ in dem Gott entstand (in dem er wie auch immer „sich selbst geschaffen hatte“). Erst dann war für mich die Erschaffung der Welt und des Menschen begreifbar, d.h. logisch nachvollziehbar.
Die Vorstellung der „Leere vor dem Anfang“ hat mich immer wieder fasziniert, wenngleich ich mich später und bis heute dann mit konkreteren Fragen beschäftigt habe, und mich lange Jahre die Religion – in der Form der katholischen Lehre nur für ihre politische Botschaft interessierte. San Francesco blieb für mich lange Zeit der einzige Heilige, der mir sympathisch war. Die Kirche war mir zu keiner Zeit angenehm, sondern ich habe sie immer als etwas Bedrohliches empfunden, eher als eine Straf- und Belehrungsinstanz.
Den Katechismusunterricht habe ich als Sechsjähriger besuchen müssen, bei Nonnen in einem Kloster.
Damals war die Regel, diese beide Sakramente während der ersten Schulklasse zu erhalten, jeweils am Vor- und Nachmittag eines Sonntags.
Es war sicher kein spannendes Erlebnis, wahrscheinlich habe ich während dieses Unterrichts nur so wenig wie nötig aufgepasst, und sonst war ich mit der Phantasie woanders oder habe diese Erfahrung verdrängt, denn ich habe daran überhaupt keine Erinnerungen, während ich noch einige Vorstellungen von der Lehrerin der ersten Klasse und sogar den Montessori-Kindergärtnerinnen habe.
Von der Erstkommunion und der Firmung weiß ich nur, dass ich kollabierte, womöglich, weil ich ohne Frühstück war, und auch weil ich schon damals einen sehr niedrigen Blutdruck hatte.
Ich erinnere mich, dass mein Vater vorgeschlagen hatte, mich in ein naheliegendes Café zu bringen, und mich dort mit einem Frühstück auf die Beine zu helfen, während meine Mutter von dieser sündhaften Vorstellung entsetzt war, denn vor der Kommunion musste man unbedingt nüchtern sein, ab Mitternacht ! Ich erfuhr nur viele Jahre später, was meinem Vater selber bei der gleichen Angelegenheit passiert war, nämlich ihm hatte die Hostie im Mund so geklebt und ihn geekelt, dass er sie heimlich unter die Kirchenbank gespuckt hatte. Aber eine Nonne hatte dies beobachtet, und zwang ihn, die Hostie vom Boden mit dem Mund wieder aufzunehmen. Daraus erklärt sich, dass dies für ihn die erste, aber auch die einzige Kommunion seines Lebens war. Und auch seine Abneigung gegen die Nonnen. 
Während meiner Kindheit und Jugend besuchte ich regelmäßig die Kirche mit meinen Eltern, aber ohne religiöse Gefühle. Die Messe war für mich eine nicht zu lästige Pflicht, auch weil ich die Bilder und die Architektur der Kirchen betrachtete und es liebte, mir vorzustellen, welche Änderungen möglich gewesen wären, um daraus etwas anderes zu machen, z.B. ein Wohnhaus. Oder ich dachte, einfach an etwas anderes. Später habe ich meine Aufmerksamkeit den Mädchen geschenkt, ich wählte, wenn es möglich war, Kirchen und darin Plätze, wo ich schöne Mädchen sehen konnte. Und noch später habe ich manches Mädchen nach der Kirche angesprochen, was wegen meiner Schüchternheit für mich eine große Überwindung  bedeutete, dafür konnte ich mich aber während der Messe vorbereiten (welchen Anlass finden, um sie anzusprechen, was sagen, etc.).
Ich habe sogar manchmal Glück gehabt, und  Mädchen nach der Kirche bis nach Hause begleiten können, was damals für mich, im Mittelschul- und Gymnasialalter schon ein großer Erfolg war.  Aber in der Regel waren es Mädchen, die ich aus der katholischen  Jugendgruppe kannte, und daher war die Chance weiterzukommen von vorne herein nicht gegeben.
Für die Initiation waren die meistens älteren „freien“ Mädchen, die in dem nahe liegenden Arbeitergebäude der Tonziegelfabrik wohnten, wo bekanntlich viele Kommunisten und sogar Anarchisten waren, mit denen wir Kinder und Jugendlichen aus guten christlichen Familien nicht verkehren durften, aber dank denen wir  unsere Sexualerziehung – mangels Unterricht in diesem Fach in der Schule – selber lernen konnten, heutzutage würde man sagen “learning by doing“ or „on the job“. Jedenfalls habe ich, wie viele andere Freunde, dank dieser Umstände  meine Unschuld mit 13 oder 14 verloren.
Dies trotz aller moralischen Predigten und Androhungen der Hölle für diese „Sünde“ (die für die katholische Kirche die schlimmste schlechthin ist) , wobei es sich zeigt, dass gegen den gesunden menschlichen Instinkt keine noch so furchtbare Angstmacherei die geringste Chance hat.
Während eines Kuraufenthaltes mit meiner Mutter im Gästehaus eines Nonnenklosters an der Riviera, in dem eine Tante ihr Leben verbrachte, wurde ich regelrecht zum Priesterleben aufgefordert, ich bekam Puppen mit den verschiedensten Talaren geschenkt. Womöglich wurde mein Interesse an der Tätigkeit der Nonnen (Kleidermachen und Gärtnerei) falsch interpretiert: das Schneiden und Nähen von Kleidern hatte ich von meiner Mutter gelernt, die eben Schneiderin war, und die Blumen und Garten-Arbeiten  von meinem Onkel, der eine Gärtnerei besaß, und mir bei jedem Besuch immer viel zeigte und gerne meine neugierigen Fragen beantwortete.
Jedenfalls schien mir das Priesterleben immer total unattraktiv, weil ich schüchtern war, und mir nie hätte vorstellen können, eine Predigt zu halten, wobei das Mönchen- und Nonnenleben mir angenehm erschien.
Gegenüber dem Nonnenkloster, nur auf der anderen Straßenseite, gab es ein Franziskanerkloster, in das ich ebenfalls gerne überall geführt wurde, wegen meiner für ein Schulkind außergewöhnlichen starken Interesses am Garten. Über die unmittelbare Nähe beider Klöster hatte sich mein Vater amüsiert, ganz zum Unmut meiner Mutter. Die sich wiederum sich entsetzt hatte, als ich fragte, warum beide Kloster nicht gemeinsame Sache machten, und Mönche und Nonnen nicht heirateten, denn in meiner Vorstellung war dort doch genug Platz und Arbeit für Familien. Ich wäre gerne in den riesigen Parks und Gärten beider Klöster geblieben, so stellte ich mich vor, wie schön es gewesen wäre, für Kinder dort mit deren Mönch-Nonnen Eltern zu leben.
Bei dieser Vorstellung die ich meiner Mutter naiv vortrug, war sie so entsetzt, dass ich nie mehr wagte, darüber nachzudenken. Ich habe sie nur ein andermal so entsetzt gesehen, als ich Jahre später eine noch dümmere Frage stellte. Ich war inzwischen circa zehn oder elf Jahre alt, und Lieblingsmitspieler von Zwillingsmädchen, die aus einer anderen Stadt kamen, und jedes Jahr die Schulferien bei ihrer Tante verbrachten, im Haus gegenüber meinem.
Es wohnten zwar viele Kinder damals in der Umgebung, aber diese Zwillinge wollten immer nur mit mir spielen. Wir verstanden uns sehr gut, und es ist möglich dass ich - dem Alter entsprechend - in sie „verliebt“ war, denn ich fragte einmal meine Mutter, ob es erlaubt war, im Fall von Zwillingen, auch zwei Frauen zu heiraten. Nach der Reaktion – „allein so ein Gedanke ist schon eine Todsünde!“ hörte ich auf, solche gefährlichen Fragen zu stellen, und war überzeugt, dass ich wohl  „nicht  ganz normal war“.
Was mich zwar nicht besonders kümmerte, ich aber als Warnung verstand, meine Ideen nicht frei zu äußern, so dass ich selbst mit den engsten Freunden meine Gedanken nur nach Überprüfung ihrer „Normalität“ austauschte.
Dass ich nicht wie die anderen war, wurde mir inzwischen schon aus einer anderen Eigentümlichkeit bewusst: bei jeder Erklärung in der Schule, war mein erster Gedanke war, ob die Sache nicht auch anders möglich wäre.
Ich fing immer wieder an, alternative Erklärungen zu suchen, und weil dies ein unwiderstehlicher Drang war, um nicht stetig als zerstreuter Schüler getadelt und bestraft zu werden, gewöhnte ich mir an, gleichzeitig dem Unterricht zu folgen und parallel meine Gedanken zu entwickeln. Was nicht immer glatt ging, aber einigermaßen funktionierte, denn ich bin nie sitzen geblieben, und habe z.T. auch gute Noten erhalten (vor allem im Aufsatzschreiben) und in den naturwissenschaftlichen Fächern.
Die Gewohnheit, gleichzeitig zuzuhören und an etwas Anderes zu denken, ist mir später sehr dienlich gewesen, als ich als Simultandolmetscher studierte, und keinerlei Mühe hatte, in einer Sprache zu hören und gleichzeitig in eine andere zu übersetzen.
Aber ich habe dieses Studium trotzdem bald aufgegeben, weil mich das Übersetzen der Reden von anderen nicht interessierte. Geblieben ist mir aber die Gewohnheit, beim Zuhören, meinen  Gedanken freien Lauf zu lassen. Und die Fähigkeit, jederzeit und in jeder Umgebung mich auf meine Gedanken konzentrieren zu können, egal, was um mich herum passiert.
Ich kann mich also jederzeit und überall aus der Wirklichkeit entfernen, um in meiner Gedankenwelt zu wandern. 

Was hat all dies mit der Religion zu tun?  Sehr viel, denn es erklärt zum guten Teil, dass für mich Religion und Moral (was ich als Sammlung von Vorschriften verstand) schon sehr früh und dann immer ein und dasselbe waren: Verbote und Zwänge.
Sünden und Strafen waren der Stoff, aus dem die Religion bestand. Die Religion bot genauso wie die Schule, fertige Erklärungen über alles, und verbat alle Versuche nach Alternativen.
Nicht denken, sondern glauben und nicht hinterfragen. 
Während der Himmel mich nie besonders interessiert hatte (ich konnte mir nichts darunter vorstellen), hatte ich eine genaue Vorstellung von der Hölle. In dem Dom meiner Stadt war ein Bild der Hölle, schrecklich in seiner realistischen Darstellung, denn zu sehen waren nur Körperteile auf einem dunklen Hintergrund, nicht die sympathischen  und groteske Teufeln wie z.B. bei Brueghel der Alte. Damals hatte ich wirklich Angst vor der Hölle.
In einer Phase meiner Kindheit und Jugend habe ich mir immer wieder vorgestellt, wie schön es gewesen wäre, hätte man auf den Himmel verzichten können, und gleichzeitig aber die Hölle abgeschafft.
Also nach dem Leben weder Preise noch Strafen,  nur ein „Nichts“.
Ich stellte mir dieses „Nichts“ wie einen leerer Raum vor, in dem man nur noch denken konnte, ohne Kontrollen und Folgen.
So ein „Nichts“ musste „vor dem Beginn aller Sachen“ existiert haben.

Dann kam Gott. Und mit ihm die Religion, und die Priester, mit Verboten, Himmel und Hölle. 

In späteren Jahren, während meines politischen Engagements, circa zwischen 18 und 25, habe ich die Religion auf ihre politisch-gesellschftliche Dimension reduziert: ich denke, es war Pasolinis Film „Das Matthäusevangelium“, der mir den Anstoß in diese Richtung gab.
Eine Zeitlang interessierte ich mich daher für die Theologie der Befreiung und der Revolution, vertreten z.B. von Theologen wie Gonzales Ruiz, und für die niederländischen Theologen mit ihrem Katechismus. Dann „entdeckte“ ich die Waldenser, die älteste christiche „Häresie“ Europas, entstanden gleich nach dem vom Papst Benedikt der XII. angestifteten Völkermord an den Albigiensern.
Ihr Verbreitungsgebiet liegt gerade in der Gegend in Italien, wo ich aufgewachsen bin, aber seltsam genug, bis dahin hatte ich keine  richtige Informationen darüber. Die Waldenser galten damals den Katholiken gegenüber ungefähr wie die Islamisten heutzutage. Ich fand aber die Waldenser-Kirche sofort viel sympathischer  als die katholische, weil es in ihr kein Papst und keine Beichte an den Priester (sondern direkt an Gott) gibt, der Sündenkatalog auf das Vernünftige und Nachvollziehbare reduziert ist, und nicht zuletzt wegen des Fehlens von  unbegründeten Sexualverboten, wobei mir zum ersten Mal klar wurde, wie krankhaft die katholischen Kirche in ihrer Sexophobie ist.
Außerdem war diese Waldenser-Kirche immer nur verfolgt (konnte aber immer wieder den päpstlichen Mörderbanden erfolgreich Widerstand leisten), und auch während des Faschismus waren die Waldenser sehr stark vertreten in der Widerstandgruppierungen der „Resistenza“ („Widerstand“ gegen die Nazi-Armee und ihre knechtische Helfer, die Mussolini-Anhänger der italienischen „Salò-Restrepublik“ in Norditalien). 

Der persönliche Werdegang ist untrennbar von der Wahrnehmung der Realität, und ebenfalls für die  Erklärung der Gedanken über die Religion verbunden. Denn es gibt sicher nichts Intimeres und Persönliches – und gleichzeitig gesellschaftlich und soziales - als der religiöse Glauben (oder nicht Glauben, was ebenfalls eine Religion ist). 

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