Dienstag, 19. Februar 2019

Größe und Misere der Kommunalpolitik – Am Beispiel der Radolfzeller „Seetorquerung“

Ein unbestreitbarer Vorteil der Kommunalpolitischen Vertretung gegenüber der Landes- und Bundespolitik ist die Nähe zwischen der Bevölkerung und den gewählten Vertretern und die daraus entstehende Möglichkeit, die Belange der Bürger ohne ideologische oder Parteilinie-konformen Vorentscheidungen.
Dieser Vorteil verlangt jedoch, dass bei wesentlichen Entscheidungen, die Bürger direkt zu Wort kommen dürfen, und dafür sind Bürgerentscheidungen gesetzlich vorgesehen.
Dies wiederum hat einen Sinn nur wenn die Gemeinderäte und die Bürgermeister richtig informieren und ALLE Daten und Optionen auf den Tisch legen, und danach nur  Entscheidungen treffen, die tatsächlich die Mehrheit der Bürger befürworten.
Eine knappe Mehrheit kann auf der Bundesebene vertretbar sein, wenn es um Entscheidungen geht, die nicht aufgeschoben werden können, aber selbst da ist es ratsam Kompromisse einzugehen, um die Trennung der Bevölkerung in zwei ähnlich große Lager.
Au der Kommunale Ebene sollte dies ein MUSS sein, vor allem wenn es um große Investitionen und riskante Projekte geht.
In Radolfzell haben wir genau das Gegenteil von dem was eine demokratische und Bürgernähe Kommunalpolitik leisten sollte. Am Beispiel „Seetorquerung“ sind praktisch alle mögliche Sünden begangen worden.
Zuerst wurde ohne fachlich Überprüfung  ein Plan weitergeführt, wie die sogenannte „Vorzugsvariante“, deren Kosten entweder aus Mangel Kompetenz oder betrügerisch zunächst so niedrig berechnet wurden, dass selbst ein einfacher Polier hätte es merken können, dass überhaupt nicht stimmen konnten. Aber dies diente dazu, die doch gut mögliche Modernisierung der bestehenden Unterführung als tot zu erklären. Welche Interessen dahinter standen werden wir wahrscheinlich nie wissen, so dass nur die totale Inkompetenz als sichere Erklärung bleibt.  Aber damit nicht genug: als eine Gruppe Bürger sich Klarheit schafften, und eine nach dem anderen alle falsche Angaben, lächerliche Argumente und grundlose Behauptungen entkräften konnten, antworteten die „Verantwortlichen“ mit erstklassigen Lügen, wie z.B. der OB, der für das Projekt kräftig warb, und Millionen Beiträge von der DB garantierte, obwohl er die schriftliche gegenteilige Erklärung auf dem Tisch hatte.
Es kam zu einem Bürgerentscheid, zeitlich so gewählt, dass die im Landtag schon vorgesehene Änderung der Mindestquote noch die alte höhere war, und sehe,
für die Grablegund der „Seetorquerung“ fehlten 104 Stimmen. OBWOHL eine wesentlich größere Mehrheit der Bürger GEGEN  das so waghalsige wie unnötige Projekt  gewählt hatten, entschied die Mehrheit der Gemeinderäte weiterhin und mit bemerkenswerter Sturheit, das ungeliebte Projekt mit allen Kräften durchzusetzen.
Inzwischen sind die berechnete Kosten noch enorm gestiegen, aber  die gleichen Gemeinderäte haben sich geweigert, nochmals einen Bürgerentscheid zuzulassen: wohl wissend, welches das sichere Ergebnis gewesen wäre.
Mit der illusorischen Absicht (ein erneuter Beweis der absoluten Inkompetenz), durch eine Reduzierung der Tunnelbreite auf 6,5 Meter statt 8, die Kostenexplosion in Griff zu bekommen, wurden weitere öffentliche Gelder in Planungen verschwendet, die das Papier nicht wert waren. Am Ende haben wohl selbst die Planer  gemerkt, dass sie dabei waren, ihr guter Name an einem Projekt zu binden, das sie wohl wissen, ins Desaster enden wird und haben sich damit verabschiedet. Denn die jetzige Unterführung wurde an der einzigen Stelle gebaut, wo der Untergrund seit Jahrhunderten fest war (die Landeszunge des ehemaligen Fischerdorfes Radolfzell).  Daneben, an beiden Seiten, und bis zum Stadtgarten war ... der See: Keine verantwortliche Firma würde eine doppelt so breitere Unterführung auf eine so ungeeignetem Boden zu bauen wagen, es sei denn, sie spekuliert auf die enormen Zusatzkosten aufgrund der notwendig gewordene Zusatzmaßnahmen. 
Ebenfalls, nur aus Mangel an Aufträgen kann ein professionelles Ingenieurbüro sich auf ein fachlich so falsches Projekt anlassen.
Sturheit kosten jedoch viel Geld: es ist die Rede von schon über drei Millionen Euro für die Planungen, obwohl darüber die genaue Aufzählung nicht einmal vorliegt. Was ist nun zu erwarten?
Jetzt stehen wir vor Gemeinderat Wahlen: im wesentlichen sehen wir bisher die gleichen Kandidaten wie bisher auf den Listen. Die einzige Liste mit 100 % Ablehnung des unseligen Projekts ist die Grüne Liste. Aber was ist mit den Bürgern, die zwar gegen das Projekt sind, aber nicht diese Liste wählen möchten?  Womöglich werden diese Bürger die Wahlurne vermeiden. Ich selber werde nur zur Wahl erscheinen, wenn im Voraus von jedem Kandidat weiß, welche Absicht über die „Seetorquerung“ hat.
Daher ergeben sich zwei Möglichkeiten:
1)      Radolfzell wird eine Kopie des jetzigen Gemeinderates wählen, und die neue/alte Vertreter werden sagen: drei Millionen für die Planung kann man nicht einfach vernichten ... und sie werden lieber andere 30 Millionen für Nichts begraben.
Jedem einzelnen Radolfzeller wird also aus seinen Steuern zusätzlich zu den bisherigen 100,-- € weitere 900,-- abgeknöpft.  Dies wäre ein Solidaritätszeichen an die Stuttgarter, „Ihr seid nicht alleine mit eurer „Jahrhundertblamage-Stuttgart 21“ , im kleinen ahmen wir nach. 
Die Zerstörung eines gut funktionierenden Unterführung wird von den späteren Generationen zwar bereut, denn genau wie in Stuttgart, gegen allen Verblendungen wird der neue Tunnel – falls bis zu Ende bebaut – schlechte Dienste leisten als die jetzige. Der einzige Vorteil wäre, dass so ein krasser Fall als schreckliche Warnung in der Zukunft vielleicht ähnliche Torheiten vermeiden lässt.
Wenn ich nicht Radolfzeller wäre, würde ich mich fast dieses Ergebnis wünschen, denn die undemokratischen Gemeinderäte die für das Desaster verantwortlich waren, würden eine ewige wohlverdiente Blamage ernten.    


2)     Es könnte aber auch sein, dass die Radolfzeller aus der von der Obrigkeit  induzierte Lethargie aufwachen,  neue Hoffnung finden, und diejenigen Kandidaten wählen, die dem Unsinn ein Ende setzen.  Das wäre, was man unter "Prinzip Hoffnung" bekannt ist. Und man müsste nicht einmal "Gelbe Westen" tragen und demonstrieren, sondern lediglich die richtigen Kandidaten  wählen.

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