Größe und Misere der Kommunalpolitik – Am Beispiel der Radolfzeller „Seetorquerung“
Ein
unbestreitbarer Vorteil der Kommunalpolitischen Vertretung gegenüber der
Landes- und Bundespolitik ist die Nähe zwischen der Bevölkerung und den
gewählten Vertretern und die daraus entstehende Möglichkeit, die Belange der
Bürger ohne ideologische oder Parteilinie-konformen Vorentscheidungen.
Dieser
Vorteil verlangt jedoch, dass bei wesentlichen Entscheidungen, die Bürger
direkt zu Wort kommen dürfen, und dafür sind Bürgerentscheidungen gesetzlich
vorgesehen.
Dies
wiederum hat einen Sinn nur wenn die Gemeinderäte und die Bürgermeister richtig
informieren und ALLE Daten und Optionen auf den Tisch legen, und danach
nur Entscheidungen treffen, die tatsächlich die Mehrheit der Bürger
befürworten.
Eine knappe
Mehrheit kann auf der Bundesebene vertretbar sein, wenn es um Entscheidungen
geht, die nicht aufgeschoben werden können, aber selbst da ist es ratsam
Kompromisse einzugehen, um die Trennung der Bevölkerung in zwei ähnlich große
Lager.
Au der
Kommunale Ebene sollte dies ein MUSS sein, vor allem wenn es um große
Investitionen und riskante Projekte geht.
In
Radolfzell haben wir genau das Gegenteil von dem was eine demokratische und
Bürgernähe Kommunalpolitik leisten sollte. Am Beispiel „Seetorquerung“ sind
praktisch alle mögliche Sünden begangen worden.
Zuerst wurde
ohne fachlich Überprüfung ein Plan weitergeführt, wie die sogenannte
„Vorzugsvariante“, deren Kosten entweder aus Mangel Kompetenz oder betrügerisch
zunächst so niedrig berechnet wurden, dass selbst ein einfacher Polier hätte es
merken können, dass überhaupt nicht stimmen konnten. Aber dies diente dazu, die
doch gut mögliche Modernisierung der bestehenden Unterführung als tot zu
erklären. Welche Interessen dahinter standen werden wir wahrscheinlich nie
wissen, so dass nur die totale Inkompetenz als sichere Erklärung bleibt.
Aber damit nicht genug: als eine Gruppe Bürger sich Klarheit schafften, und
eine nach dem anderen alle falsche Angaben, lächerliche Argumente und grundlose
Behauptungen entkräften konnten, antworteten die „Verantwortlichen“ mit
erstklassigen Lügen, wie z.B. der OB, der für das Projekt kräftig warb, und
Millionen Beiträge von der DB garantierte, obwohl er die schriftliche
gegenteilige Erklärung auf dem Tisch hatte.
Es kam zu
einem Bürgerentscheid, zeitlich so gewählt, dass die im Landtag schon
vorgesehene Änderung der Mindestquote noch die alte höhere war, und sehe,
für die
Grablegund der „Seetorquerung“ fehlten 104 Stimmen. OBWOHL eine wesentlich
größere Mehrheit der Bürger GEGEN das so waghalsige wie unnötige
Projekt gewählt hatten, entschied die Mehrheit der Gemeinderäte weiterhin
und mit bemerkenswerter Sturheit, das ungeliebte Projekt mit allen Kräften
durchzusetzen.
Inzwischen
sind die berechnete Kosten noch enorm gestiegen, aber die gleichen
Gemeinderäte haben sich geweigert, nochmals einen Bürgerentscheid zuzulassen:
wohl wissend, welches das sichere Ergebnis gewesen wäre.
Mit der
illusorischen Absicht (ein erneuter Beweis der absoluten Inkompetenz), durch
eine Reduzierung der Tunnelbreite auf 6,5 Meter statt 8, die Kostenexplosion in
Griff zu bekommen, wurden weitere öffentliche Gelder in Planungen verschwendet,
die das Papier nicht wert waren. Am Ende haben wohl selbst die Planer
gemerkt, dass sie dabei waren, ihr guter Name an einem Projekt zu binden, das
sie wohl wissen, ins Desaster enden wird und haben sich damit verabschiedet.
Denn die jetzige Unterführung wurde an der einzigen Stelle gebaut, wo der
Untergrund seit Jahrhunderten fest war (die Landeszunge des ehemaligen
Fischerdorfes Radolfzell). Daneben, an
beiden Seiten, und bis zum Stadtgarten war ... der See: Keine verantwortliche
Firma würde eine doppelt so breitere Unterführung auf eine so ungeeignetem
Boden zu bauen wagen, es sei denn, sie spekuliert auf die enormen Zusatzkosten
aufgrund der notwendig gewordene Zusatzmaßnahmen.
Ebenfalls,
nur aus Mangel an Aufträgen kann ein professionelles Ingenieurbüro sich auf ein
fachlich so falsches Projekt anlassen.
Sturheit
kosten jedoch viel Geld: es ist die Rede von schon über drei Millionen Euro für
die Planungen, obwohl darüber die genaue Aufzählung nicht einmal vorliegt. Was
ist nun zu erwarten?
Jetzt stehen
wir vor Gemeinderat Wahlen: im wesentlichen sehen wir bisher die gleichen
Kandidaten wie bisher auf den Listen. Die einzige Liste mit 100 % Ablehnung des
unseligen Projekts ist die Grüne Liste. Aber was ist mit den Bürgern, die zwar
gegen das Projekt sind, aber nicht diese Liste wählen möchten? Womöglich
werden diese Bürger die Wahlurne vermeiden. Ich selber werde nur zur Wahl
erscheinen, wenn im Voraus von jedem Kandidat weiß, welche Absicht über die
„Seetorquerung“ hat.
Daher
ergeben sich zwei Möglichkeiten:
1) Radolfzell
wird eine Kopie des jetzigen Gemeinderates wählen, und die neue/alte Vertreter
werden sagen: drei Millionen für die Planung kann man nicht einfach vernichten
... und sie werden lieber andere 30 Millionen für Nichts begraben.
Jedem einzelnen Radolfzeller wird
also aus seinen Steuern zusätzlich zu den bisherigen 100,-- € weitere 900,--
abgeknöpft. Dies wäre ein Solidaritätszeichen an die Stuttgarter, „Ihr
seid nicht alleine mit eurer „Jahrhundertblamage-Stuttgart 21“ , im kleinen
ahmen wir nach.
Die Zerstörung eines gut
funktionierenden Unterführung wird von den späteren Generationen zwar bereut,
denn genau wie in Stuttgart, gegen allen Verblendungen wird der neue Tunnel –
falls bis zu Ende bebaut – schlechte Dienste leisten als die jetzige. Der
einzige Vorteil wäre, dass so ein krasser Fall als schreckliche Warnung in der
Zukunft vielleicht ähnliche Torheiten vermeiden lässt.
Wenn ich nicht Radolfzeller wäre,
würde ich mich fast dieses Ergebnis wünschen, denn die undemokratischen
Gemeinderäte die für das Desaster verantwortlich waren, würden eine ewige wohlverdiente
Blamage ernten.
2)
Es
könnte aber auch sein, dass die Radolfzeller aus der von der Obrigkeit induzierte Lethargie aufwachen, neue
Hoffnung finden, und diejenigen Kandidaten wählen, die dem Unsinn ein Ende
setzen. Das wäre, was man unter "Prinzip Hoffnung" bekannt ist.
Und man müsste nicht einmal "Gelbe Westen" tragen und
demonstrieren, sondern lediglich die richtigen Kandidaten wählen.
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