Erdogan und die Euroheuchler. Wie die Europäische Union ihre „Leitkultur“ endlich gefunden hat: sie heißt doppelte Moral.
Vor einigen Monaten hatte ich die
Vereinbarung zwischen der EU und der türkischen Regierung, eigentlich zwischen
der Kanzlerin Merkel und dem türkischen Präsidenten Erdogan, als
„verabscheulichen Pakt“ bezeichet. Dazu
hatte ich ebenfalls die Wirksamkeit dieses Kuhhandels Zweifel gezogen, denn
wenn Menschen nur noch die Wahl zwischen dem Elend eines unwürdigen Lebens
unter stetiger Gefahr des Todes in Kriegsgebieten und die Flucht bleibt, dann
ist es nur logisch und unvermeidbar, dass die Masse der Kriegsvertriebenen die
Flucht über Land oder Meer lieber riskiert, wo midestens eine Hoffnung bleibt.
Keine Mauer und Zäune haben
bisher die Flüchtlinge halten können. Noch nie in der Geschichte der Menscheit
konnten Völkerwanderungen gestoppt werden. Bremsen kann man sie für eine Weile,
aber ganz stoppen nie. Und meistens wirken sich diese Migrationen sogar positiv
auf die Aufnahmeländer aus. Selbst egoistisch und rein wirtschaftlich sind die
Migranten eine gute Investition. Man muss sie nur als Lösung statt als Problem
verstehen. Sicher, es ist schwieriger
diesen Gedanken zu verbreiten, denn dafür muss man die Intelligenz
ansprechen. Viel leichter und schneller können skrupellose Politiker Gewinne
erzielen, wenn sie sich auf die Ignoranz der Fremdenhasser berufen, und mit
verlogenen patriotischen Tiraden und Angstparolen die Masse der Unwissenden
hinter sich ziehen.
Aber zurück zum Pakt mit Erdogan:
sein einziges Ergebnis sind zunächst die enorm steigenden Gewinne der
Schlepper: je schwieriger die Flucht, desto teurer die „Hilfe“, die solche
Kriminelle anbieten, indem sie gewissenlos überfüllte meeresuntaugliche Boote
nach Italien oder Griechenland senden,
billig in Kauf nehmend, dass Tausende ihr Leben dabei verlieren werden, nachdem
sie ihr letztes Habe für die tödliche Überfahrt bezahlt haben.
Verabscheulich war der Pakt aber
auch, weil ohne die direkt Betroffenen verhandelt wurde. Diese historisch
vielerorts erprobte Vorgehensweise wird hier wiederholt: es ist leichter
zu entscheiden, ohne die direkt
Betroffene zu beteiligen. Die Syrer, sowie die Afghanen und die Iraker wurden
nicht gefragt, ob sie „Hilfe“ für den Umsturz ihrer Herrscher wirklich wollten.
Die selbstherrliche „westlichen Demokratien“ haben diese Länder entweder direkt angegriffen oder Teile der
selbsternannten Widerstandskämpfer samt eigene Söldner mit Waffen versorgt, und
damit die Flüchtlingswelle direkt verursacht, aber die Konsequenzen wollen sie
natürlich nicht tragen. Die Massenflucht der armen Bevölkerungen aus ihren
zerstörten Ländern wollen die „Missionare der Demokratie mit Waffengewalt“,
weder die USA noch ihre von der NATO besetzten EU Länder haben.
Der Pakt von Istambul ruft
unangenehme Erinnerungen wach: 1938 wurde in München ebenfalls ohne Anwesenheit
der direkt Betroffenen (die tschechoslowakische
Regierung) ein Pakt beschlossen, der genauso unwürdig wie sinnlos in Bezug auf
die angeblichen Ziele war [1]
. Das Ergebnis kennen wir leider nur allzugut.
Die Wahl der Kanzlerin in Istanbul
war ebenfalls wie damals in München zwischen Scham und inneren Streitigkeiten in der EU: genauso
wie 1938 Chamberlain tat, wählte die Kanzlerin die Scham eines Paktes mit einem
Diktator und erntete die Auseinandersetzung in der EU. Die Briten sind aus
dieser verlogenen EU schon weg, andere Staaten werden folgen oder immer weniger
Solidarität zeigen, und die Probleme, die man sinnlos mit dem Pakt lösen
wollte, werden ständig wachsen. Schon jetzt, während einerseits die Türkei
vielleicht einige Flüchtlinge von der EU zurücknimmt (schon allein dies ist
eine Schande für diese Union, die den
vielleicht am wenigsten verdienten
„Nobelpreis für den Frieden“
trägt), wächst andererseits kontinuierlich die Strömung der Kurden, die
genau vor der mörderischen Unterdrückung des gleichen Diktators nach Europa
fliehen (allein in Deutschland hat sich innerhalb eines Jahres deren Zahl
verdoppelt).
Dann kam der Staaststreich in der Türkei. Darüber wissen wir zu wenig, um
zu urteilen. Die offenen Fragen sind zu viele (welche oppositionellen Kräfte
standen dahinter, wusste der Präsident wirklich nichts davon, wenn ja, wie
konnte er so schnell die Antwort organisieren?, um nur einige der Grundfragen
darüber zu erwähnen).
Eine für immer offene Frage wird bleiben, wie hätte eine
Militärregierung gegenüber den Kriegsparteien in Syrien, den kurdischen
Separatisten und der EU sich verhalten. Man kann vermuten, dass es eine Wende gegeben hätte, denn ansosnten wieso
ein Staatsstreich?!
Offensichtlich ist jedenfalls geworden, dass die EU und die USA
nicht deutlich gegen diesen
misslungenen Staatsstreich aufgetreten sind. Bisher hat noch kein hoher
Vertreter der EU die Türkei besucht, aber alle haben die Sicherheitsmaßnahmen
des sich knapp geretteten Präsidenten Erdogan scharf kritisiert und ihm
unverlangte Nachhilfe in Sache Demokratie reichlich angeboten.
Und mit welcher Hypokrisie! Die bloße Erwähnung Erdogans, dass das
türkische Volk sich die Wiedereinführung der Todesstrafe wünscht hat schon
gereicht, um die Politiker aller EU Länder zu einigen in einer „moralischen
Verurteilung“ dieser Idee. Diese Hypokriten merken nicht einmal mehr wie
offensichtlich ihre eigenen Widersprüche sind, denn wenn die Todesstrafe – zwar richtigerweise, dies muss betont werden
- ein Grund wäre, um die Kooperation
mit den Staaten, die sie praktizieren, zu beenden, dann müssten z.B. viele
Staaten der EU, und Deutschland als erster aufhören, Saudi Arabien zu hofieren
um dort milliardenschwere Waffengeschäfte abzuwickeln. Dasselbe gilt natürlich
für die USA wie für Ägypten, dessen Diktator Sissi offensichtlich der
Wunschkandidat der westlichen Heuchler war. Er hat den demoktarisch gewählten
Presiden Mursi mit Gewalt gestürzt, und nach einem Schauprozess, gegen ihn die
Todesstrafe verhängt: kein Aufschrei bei den Heuchler in Bruxelles. Zwar war
und ist die Angst vor den islamistischen fundamentalistischne Muslimsbrüdern
berechtigt, aber diese berechtigt wiederum nicht, Staatsstreiche zu
legitimieren. Die doppelte Moral ist also die neue Leitlinie, oder besser
gesagt, mit einem hässlichen und sonst sinnlosen Begriff, die endlich
staatenübergreifende allen
gemeinsame „Leitkultur“ der EU.
Was die inneren angelegenheiten der Türkei betrifft, muss zwar
kompromisslos verlangt werden, dass die Verhaftungen von Oppositionellen und
die Presseunterdrückung in der aufhören. Aber mit welchem Recht kann man einem
Land vorwerfen, mit Sondergesetzen zu regieren, der Hunderte Tote bei einem
versuchten Stattsstreich zu beklagen hatte, dazu hohe Sachsschäden und vor allem als Gefahrregion dabei ist,
die Touristen zu verlieren?
Dass die Türkei kein demokratisches Land im historischen Sinn ist und
wahrscheinlich sein will, bleibt unumstritten. Die scharfen Kriterien dafür
schaffen aber ebenfalls sehr wenige Staaten in der EU, wobei die EU selber gar
keine demokratische Regierungsform hat, denn die EU-Kommission mit der ganzen
Macht, die sie besitzt, wird nicht demokratisch gewählt. Ganz zu schweigen von
den Entscheidungen, die GEGEN den ausdrücklichen Willen der Bevölkerungen getroffen wurden (die EU Verträge, die
beim Referendum verworfen wurden, in Frankreich und in der Niederlanden, wurden
trotzdem erzwungen).
Mit welchem Recht kann z.B. die französische Regierung den türkischen
Präsident kritisieren, während sie selber wegen einigen terroristischen
Attakten sei Monaten mit Notstandgesetzen regiert?
Die Haltung der EU bei und nach dem versuchten Staatsstreich in der
Türkei hat auch den naivsten EU-Bürgern
vor Augen geführt, mit welcher Hypokrisie
ihre Regierungen und die
von den internationalen Finanz- und Indusrtrelobbies geführte EU-Organe
in Brüssel ihre Macht ausüben, und
dabei wie wenig an Demokratie noch übrig geblieben ist.
Oder: war es nicht enorm beschämend, dass bei der demokratischen
Entscheidung der Briten, genau diese EU zu verlassen, alles versucht
wurde, um die Wahl im Sinne der internationalen Lobby-Profiteure zu
beeinflussen? Mit Angst, mit perfiden wie falschen wirtschaftlichen Drohungen,
ergänzt mit verleugneten moralischen
Appellen, wurde nichts unterlassen, um die Briten im gleichen sinkenden Boot
der EU zu behalten.
Es war zum Glück alles umsonst,
die älteste wahre Demokratie in Europa hat bewiesen, dass es noch Werte
gibt, die man nicht einfach übers Bord werfen darf, und daher die falschen
Demokraten lieber verläßt, als mit ihnen gemeinsame Sache tun.
Somit ist die EU jetzt alleine mit den eigenen von ihr selber
verursachten Problemen, die nur noch größer werden können, denn bei allen
Regierenden ist nicht die kleinste Bereitschaft zu erkennen, ihre eigenen
undemokratischen Machenschaften zuzugeben und ihre Fehler zu korrigieren.
Und so geht es leider weiter: mehr Waffen in die Krisengebiete,
Soldaten und Bomben in Libyen, Mauern und Zäune gegen die damit verursachten
Flüchtlingsströmungen, tausende Tote im Meer, und die unvermeidliche
Fremdenfeindlichkeit in allen Ländern der schändlichen Europäischen ...
Dis-Union. Das Fundament der EU war bei deren Gründungsvätern die „Solidarität“
und die „Kooperation“: davon ist nichts mehr zu sehen.
Stattdessen regiert die neuliberale Religion, die „Kompetitivität“, in
anderen Worten der Profit für wenige auf Kosten des Elends und der Verarmung
der Massen.
Wir wissen nicht wie lange diese Farse von falscher Union noch aufrecht
zu halten ist, aber eine Sache ist sicher: Erdogans Türkei würde wunderbar in diese
EU passen, die ihre ehemalige moralische und demokratische Grundlage völlig
verloren hat.
Diese EU versucht außerdem immer dabei zu sein, als fleißige und
untertänige Dienerin der USA (vonder Angst getreiben, mit einem „f..ck you
EU“ getadelt zu werden) bei allen Angriffe auf souveränen Staaten.
Serbien, Afganistan, Irak, Mali, Libyen, können ein Lied davon singen.
Am liebsten produzieren sich die EU Politiker bei Umstürzen von demokratisch
gewählten Präsidenten: die Bühne auf dem Maidanplatz in Kiew war nicht nur von
USA Vice-Präsident Joe Biden beschlagnahmt (der dort für die „demokratische“ Entscheidung
plädierte, damit sein Sohn die Fracking Geschäfte in den östlichen Teilen des
Landes übernehmen konnte), sondern von vielen Vertretern der EU. Der damalige
deutsche Außenminister leistete dort ständige Präsenz, ohne Rücksicht auf die
kleine Detail (die maßgebliche Kraft hinter den Umstürzlern waren die
Nachfolger der Hitler- Kollaborateure, Antisemiten und Homophobe).
Selbst die naivsten Bürger können nicht mehr übersehen, wenn sie die
Augen nicht verschließen, dass die angebliche „Außenpolitische Linie der
EU“ in Wirklichkeit nur noch das Diktat
der NATO ist, die auf Expansionkurs verzweifelt sucht, ihre Legitimatin durch Ängste zu begründen, die aber
lediglich Folgen ihre Provokationen sind: so in Georgien, genauso wie in der
Ukraine. Im Fall der Türkei ist sogar eine weitere „rote Linie“ überschritten
worden, denn dieses Land ist NATO Mitglied: man sieht, wie wenig Respekt selbt
für die Mitglieder noch gilt, wenn ein unbeliebter Politiker beseitigt werden
soll, weil er nicht nach der NATO /EU Musik tanzen will.
Am Ende gibt es jedoch eine fröhliche Nachricht für die Türkei: wenn
ihr Präsident sie weiterhin undemokratisch regiert, dann entfernt sie sich
nicht, im Gegentheil nähert sie sich zunehmend der EU an, die als erste die
Demokratie im eigenen Machtbereicht abgeschafft hat, und mit einer skrupellosen
und machtbesessenen Oligarchie die europäischenVölker insgesamt drangalisiert.
Diese ist die jetzige EU: Das Paradies der Finanzprofiteure, der
Waffenhändler und der Lobbiesten der Großkonzerne. Die von ihnen einzig
praktizierte Rettung gilt den Banken, bei gleichzeitiger Beschneidung der
Rechte der Arbeitenden und Reduzierung der Sozialleistungen. Privatisierung ist
ihr Credo, immer größerer Vermögen für
immer weniger Superreiche ihr Oberziel. Die neue Religion dieses bürokratischen
Monsters heißt nämlich Neoliberismus, seine
zerstörerische Waffe heißt Euro. Diese EU kann also durchahus Diktatoren
der schlimmste Art gut vertragen, und der arme Erdogan wäre sogar, wenn man die
verlogene Klassifizierung der USA bei den Syrischen Rebellen benutzen will, ein
„moderater“ Herrscher.
[1]
Der sog. Münchner Abkommen (oder besser Münchner Diktat wurde
von Mussolini (der lediglich einen ihm von Hitler befohlenen Vertragstext
Vortrug), und dem englischen und
französischem Außenminister besiegelt.
Die tschechoslowakische Regierung war nicht
anwesend, musste aber unter Drohung eines sofortigen Angriffes (seitens
Deutschlands und Polens) die Wegnahme von ca. 25 % des eigenen Gebietes akzeptieren. Churchill warf dem Außenminister Neville
Chamberlain vor: “You were given the choice between war and dishonour. You chose
dishonour, and you will have war.” … und hatte leider vollkommen Recht.
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