Dienstag, 21. Januar 2014

Neues Wahlgesetz in Italien nach dem Muster der "Commedia dell'Arte"

Das italienische Verfassungsgericht hat das geltende Wahlgesetz, mit der in Italien in den letzten neun Jahren die Abgeordneten gewählt wurden, als verfassungswidrig erklärt. 
De facto wäre also auch das Parlament illegal. Nun aber, weil es kein Machtvacuum geben darf, soll dieses Parlament weiterhin im Amt bleiben und  ein neues Gesetz verabschieden bevor neue Wahlen stattfinden, eventuell zusammen mit der Wahl des Europa-Parlaments im kommenden Mai. 
 Die jetzige Regierung Italiens besteht grundsätzlich aus zwei Parteien: die übriggebliebenen Fetzen der PDL (Berlusconis ehemalige Partei, die sich gespalten hat) und die PD (ehemalige Linksdemokraten), die jedoch nur noch den Namen davon tragen, denn diese Partei ist seit  20 Jahren mit Berlusconis „Personalpartei“ in scheinbarer Opposition aber in Wahrheit in tatkräftiger Kooperation, also sicher nicht „Links“ .  
Es gibt viele Vorschläge von allen politischen Kräften, wie das neue Wahlgesetzt aussehen soll, eine Analyse dieser Entwürfe und deren voraussehbarer Folgen ist jedoch leicht gemacht: es geht allen Beteiligten unmißverständlich lediglich darum, das bestehende System genauso wie jetzt weiterzuführen, und ihre jeweilige Machtpositionen zu verteidigen. Und diese sind am besten garantiert mir der Fortführung der langjährigen Fiktion einer Opposition (PD), die in Wahrheit mit den rechten Kräften gemeinsame Sache macht. 
Der Nobelpreisträger für Literatur, Dario Fo, hat neulich sarkastisch vorgeschlagen: „diese scheinbar gegensätzlichen Parteien führen doch schon so lange und so harmonisch ein Zusammenleben, dass eine offizielle Eheschließung  nun fällig und selbstverständlich ist: hoffen wir nur, dass daraus kein Nachkommen entspringt ...!“
 Dass ein illegales Parlament ein legales Wahlgesetz verabschieden sollte, überfordert fast die Phantasie, es ist etwas, was man bisher lediglich aus der "Commedia dell'Arte" kannte: das Absurdum als Normalität, Arlecchino "Diener zweier Herren", z.B., ist im Vergleich fast noch nachvollziebar.  Es ist als ob man den Bock zum Gärtner macht. 
Aber damit nicht genug: einer der „Möchtegerne Väter“ des neuen Wahlgesetzes ist ... Herr Berlusconi selber. Eigentlich müßte er  jetzt hinter Gitter sitzen, nachdem er seine Immunität verloren hat, als er neulich aus dem Senat hinausgebeten wurde. Dies würde jedoch voraussetzen, dass Italien ein Rechtsstaat wäre, was längst nicht mehr der Fall ist, denn in keinem demokratischen Rechtsstaat dieser Welt würde ein Krimineller an der Erneuerung eines Wahlgesetzes mitarbeiten dürfen.  Aber in Italien ist das Regieren und die gesamte Politik offensichtlich so weit zur Farce verkommen, und selbst in dieser literarischen Gattung findet man nur selten solche  haarsträubenden Beispiele, vielleicht nur noch wie gesagt  in der „Commedia dell’Arte“, wo die Schauspieler Meister der Improvisation und des Absurden waren.
Gibt es dann überhaupt keinen Widerstand mehr? Doch !!
Die „5Sterne Bewegung „  (M5S) verlangt die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen mit dem Gesetz das galt, bevor die verfassungswidrige Änderungen unter einer Berlusconi-Regierung verabschiedet wurden. 
Diese von 9 Millionen Wählern getragene Partei ist z.Z. die einzige kritische  Stimme im Parlament wird aber von der gesamten italienischen Presse ignoriet (nur die sich selbstfinanzierende Tageszeitung „Il fatto quotidiano“  berichtet gelegentlich darüber).
Alle anderen  nur noch dank der staatlichen Zuschüsse überlebenden Tageszeitungen sind  regimentreues Instrument, besser gesagt zur Lügenverbreitungsinstanz verkommen.
 Wer die Zeitungen in Italien noch kauft (immer weniger Leser!), kann die Sicherheit haben, dass außer Tatsachenverdrehungen, platte Lügen, und verschwiegene Fakte nur noch Sport- und Modeberichte ohne Täuschungsgefahr lesen kann, wer sich über Politik informieren will, muss die ausländische Presse zu Rate ziehen und auch dies mit vergleichender Vorsicht.
 Dass Berlusconi ungeachtet aller seiner inzwischen per letztem Gerichtsverfahren bewiesenen kriminellen Taten von ca. einem Drittel der italienischen Wähler immer noch getragen wird, ist zwar auch dieser unfreien und korrupten Presse und vor allem der TV zu verdanken. Wer sich aber ernst informieren möchte, hat auch in Italien genügende Möglichkeiten, denn das Internet steht zwar nicht allen, aber doch den meisten zu Verfügung: daher spricht die bleibende Beliebtheit Berlusconis eher für die Faulheit oder Trägheit und nicht für die Klugheit eines wesentlichen Anteils der italienischen Wähler: aber damit muss jede Demokratie leben.
 Die PD Anhänger, als selbsternannte "Linksdemokraten", tragen dagegen historisch die größte Schuld, mit dem "Berlusconismo" als System  mitgemacht zu haben, sich als Opposition getarnt zu haben, und sich ebenfalls aus den Steuergeldern bereichert zu haben (die PD ist in vielen Korruptionsaffäre involviert, z.B. die Pleite der ältesten Bank der Welt, "Monte dei Paschi").
 Der andere „Möchtegerne-Vater“ eines neuen Wahlgesetzes ist nämlich Herr Renzi, z.Z. Bürgermeister von Florenz und neugewählter Sekretär der Partei PD, als ihr neuer "Stern",  gefeiert wie eine „Supernova“, die sich bald als "Schwarzes Loch" für diese Partei herausstellen könnte.
 Denn diese Partei hat ausgedient: wie einst die korrupten Christdemokraten (DC) sich als Partei ausgelöscht haben, so wird das Schicksal auch die PD nicht verschonen.
 Und es ist nicht mit Schuldzuweisungen an Beppe Grillos (der Gründer der Bewegung 5 Sterne) Weigerung, mit der PD gemeinsame Sache zu machen, dass man die politische Misere Italiens lindern kann.
 Übrigens: wenn auch die gesamte italienische Presse es verschwiegen hat, haben wir den eindeutigen Beweis, dass die Bewegung 5Sterne NICHT nach der Musik von seinem Urheber Grillo tanzt, wie ständig behauptet wird: die „5 Sternen“ Bewegungsmitglieder haben erst vor kurzem mehrheitlich in einer Internet-Wahl GEGEN Grillo entschieden, dass ein Gesezt, dass die "illegale" Flüchtlinge kriminalisiert, abgeschafft wird.
Ein Beispiel von innerer Demokratie, die man in keinen anderen Parteien bisher gesehen hat und auch nie zu erwarten ist. Die Wahl des Parteisekretärs der PD, Herr Renzi, dürfen zwar ein demokratisches Verfahren gewesen sein, aber damit ist auch schon alles an Demokratie gewesen: schon der Vorschlag des neuen Wahlgesetzes wurde lediglich zwischen diesem neuen Sekräter und ... Berlusconi vereinbart, die Mitglieder der Partei konnten lediglich dies annhemen oder ablehnen, ohne Diskussion: „keine Änderungen sonst platzt alles“ hat der Parteisekretär Renzi unmißverständlich seinen Anhängern angedroht.
Die Parteimitglieder müssen also das Diktat eines Wahlgesetzes hinunterschlucken, das den Fußabdruck eines Kriminellen hat. Es kursiert schon ein Wortspiel als Paraphrase des Leninistischen Spruch, („Die Arbeiterklasse muss alles Leiten“),  wonach die PD Mitglieder müssen ebenfalls „... digerire tutto“ auf Italienisch heißt nämlich „digerire“ (verdauen) und „dirigere“ (leiten) “. 
 Die entscheidende Frage ist: wie lange noch werden die echten Demokraten und linksorientierten Wähler  diese Farce der PD ertragen und sich weiterhin weigern, die Tatsache des Todes dieser Partei anzuerkennen? 
Oder werden sie sich frei vom Parteizwang ebenfalls in einer Bewegung formieren, die ähnlich wie die M5S das Land aufrüttelt und die korrupte-kriminelle-unfähige Kumpanei der jetzigen Parteien insgesamt liquidiert. 
 Denn wenn die fortschrittlichen Demokraten sich nicht bald daran machen, die Demokratie wieder einzuführen und der Korruption ein Ende zu setzen, wird dies die Faschistische Rechte tun: "Gallia docet", Marie Le Pen ist das erschreckende Beispiel, wie eine rechtsorientierte Partei  aus der  Unfähigkeit der linken Kräfte die Wähler an sich bindet , und ohne ein Wunder ist  leicht vorauszusehen, dass sie die nächsten Wahlen gewinnen wird.
Die Zeiten drängen, aber die Linke und die Demokraten scheinen so zu handeln wie die Priester in Bisanz, die so vertieft über  die theologische Grundfrage diskutierten, welchen Sex die Engel  haben möchten, dass sie gar nicht gemerkt hatten, dass die Türken die Stadt inzwischen eingenommen hatten. 

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