Neues Wahlgesetz in Italien nach dem Muster der "Commedia dell'Arte"
Das italienische Verfassungsgericht hat das geltende
Wahlgesetz, mit der in Italien in den letzten neun Jahren die Abgeordneten gewählt
wurden, als verfassungswidrig erklärt.
De facto wäre also auch das Parlament illegal. Nun aber,
weil es kein Machtvacuum geben darf, soll dieses Parlament weiterhin im Amt
bleiben und ein neues Gesetz
verabschieden bevor neue Wahlen stattfinden, eventuell zusammen mit der Wahl
des Europa-Parlaments im kommenden Mai.
Die jetzige
Regierung Italiens besteht grundsätzlich aus zwei Parteien: die
übriggebliebenen Fetzen der PDL (Berlusconis ehemalige Partei, die sich
gespalten hat) und die PD (ehemalige Linksdemokraten), die jedoch nur noch den
Namen davon tragen, denn diese Partei ist seit
20 Jahren mit Berlusconis „Personalpartei“ in scheinbarer Opposition
aber in Wahrheit in tatkräftiger Kooperation, also sicher nicht „Links“ .
Es gibt viele Vorschläge von allen politischen Kräften, wie
das neue Wahlgesetzt aussehen soll, eine Analyse dieser Entwürfe und deren
voraussehbarer Folgen ist jedoch leicht gemacht: es geht allen Beteiligten
unmißverständlich lediglich darum, das bestehende System genauso wie jetzt
weiterzuführen, und ihre jeweilige Machtpositionen zu verteidigen. Und diese
sind am besten garantiert mir der Fortführung der langjährigen Fiktion einer
Opposition (PD), die in Wahrheit mit den rechten Kräften gemeinsame Sache
macht.
Der Nobelpreisträger für Literatur, Dario Fo, hat neulich
sarkastisch vorgeschlagen: „diese scheinbar gegensätzlichen Parteien führen
doch schon so lange und so harmonisch ein Zusammenleben, dass eine offizielle
Eheschließung nun fällig und
selbstverständlich ist: hoffen wir nur, dass daraus kein Nachkommen entspringt
...!“
Dass ein illegales Parlament ein legales Wahlgesetz
verabschieden sollte, überfordert fast die Phantasie, es ist etwas, was man
bisher lediglich aus der "Commedia dell'Arte" kannte: das Absurdum
als Normalität, Arlecchino "Diener zweier Herren", z.B., ist im
Vergleich fast noch nachvollziebar. Es
ist als ob man den Bock zum Gärtner macht.
Aber damit nicht genug: einer der „Möchtegerne Väter“ des
neuen Wahlgesetzes ist ... Herr Berlusconi selber. Eigentlich müßte er jetzt hinter Gitter sitzen, nachdem er seine
Immunität verloren hat, als er neulich aus dem Senat hinausgebeten wurde. Dies
würde jedoch voraussetzen, dass Italien ein Rechtsstaat wäre, was längst nicht
mehr der Fall ist, denn in keinem demokratischen Rechtsstaat dieser Welt würde ein
Krimineller an der Erneuerung eines Wahlgesetzes mitarbeiten dürfen. Aber in Italien ist das Regieren und die
gesamte Politik offensichtlich so weit zur Farce verkommen, und selbst in
dieser literarischen Gattung findet man nur selten solche haarsträubenden Beispiele, vielleicht nur
noch wie gesagt in der „Commedia
dell’Arte“, wo die Schauspieler Meister der Improvisation und des Absurden
waren.
Gibt es dann überhaupt keinen Widerstand mehr? Doch !!
Die „5Sterne Bewegung „
(M5S) verlangt die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen mit dem Gesetz
das galt, bevor die verfassungswidrige Änderungen unter einer
Berlusconi-Regierung verabschiedet wurden.
Diese von 9 Millionen Wählern getragene Partei ist z.Z. die
einzige kritische Stimme im Parlament
wird aber von der gesamten italienischen Presse ignoriet (nur die sich
selbstfinanzierende Tageszeitung „Il fatto quotidiano“ berichtet gelegentlich darüber).
Alle anderen nur
noch dank der staatlichen Zuschüsse überlebenden Tageszeitungen sind regimentreues Instrument, besser gesagt zur
Lügenverbreitungsinstanz verkommen.
Wer die Zeitungen in
Italien noch kauft (immer weniger Leser!), kann die Sicherheit haben, dass
außer Tatsachenverdrehungen, platte Lügen, und verschwiegene Fakte nur noch
Sport- und Modeberichte ohne Täuschungsgefahr lesen kann, wer sich über Politik
informieren will, muss die ausländische Presse zu Rate ziehen und auch dies mit
vergleichender Vorsicht.
Dass Berlusconi
ungeachtet aller seiner inzwischen per letztem Gerichtsverfahren bewiesenen
kriminellen Taten von ca. einem Drittel der italienischen Wähler immer noch
getragen wird, ist zwar auch dieser unfreien und korrupten Presse und vor allem
der TV zu verdanken. Wer sich aber ernst informieren möchte, hat auch in
Italien genügende Möglichkeiten, denn das Internet steht zwar nicht allen, aber
doch den meisten zu Verfügung: daher spricht die bleibende Beliebtheit
Berlusconis eher für die Faulheit oder Trägheit und nicht für die Klugheit
eines wesentlichen Anteils der italienischen Wähler: aber damit muss jede
Demokratie leben.
Die PD Anhänger, als
selbsternannte "Linksdemokraten", tragen dagegen historisch die
größte Schuld, mit dem "Berlusconismo" als System mitgemacht zu haben, sich als Opposition
getarnt zu haben, und sich ebenfalls aus den Steuergeldern bereichert zu haben
(die PD ist in vielen Korruptionsaffäre involviert, z.B. die Pleite der
ältesten Bank der Welt, "Monte dei Paschi").
Der andere
„Möchtegerne-Vater“ eines neuen Wahlgesetzes ist nämlich Herr Renzi, z.Z.
Bürgermeister von Florenz und neugewählter Sekretär der Partei PD, als ihr
neuer "Stern", gefeiert wie
eine „Supernova“, die sich bald als "Schwarzes Loch" für diese Partei
herausstellen könnte.
Denn diese Partei
hat ausgedient: wie einst die korrupten Christdemokraten (DC) sich als Partei
ausgelöscht haben, so wird das Schicksal auch die PD nicht verschonen.
Und es ist nicht mit
Schuldzuweisungen an Beppe Grillos (der Gründer der Bewegung 5 Sterne)
Weigerung, mit der PD gemeinsame Sache zu machen, dass man die politische
Misere Italiens lindern kann.
Übrigens: wenn auch
die gesamte italienische Presse es verschwiegen hat, haben wir den eindeutigen
Beweis, dass die Bewegung 5Sterne NICHT nach der Musik von seinem Urheber
Grillo tanzt, wie ständig behauptet wird: die „5 Sternen“ Bewegungsmitglieder
haben erst vor kurzem mehrheitlich in einer Internet-Wahl GEGEN Grillo
entschieden, dass ein Gesezt, dass die "illegale" Flüchtlinge
kriminalisiert, abgeschafft wird.
Ein Beispiel von innerer Demokratie, die man in keinen
anderen Parteien bisher gesehen hat und auch nie zu erwarten ist. Die Wahl des
Parteisekretärs der PD, Herr Renzi, dürfen zwar ein demokratisches Verfahren
gewesen sein, aber damit ist auch schon alles an Demokratie gewesen: schon der
Vorschlag des neuen Wahlgesetzes wurde lediglich zwischen diesem neuen Sekräter
und ... Berlusconi vereinbart, die Mitglieder der Partei konnten lediglich dies
annhemen oder ablehnen, ohne Diskussion: „keine Änderungen sonst platzt
alles“ hat der Parteisekretär Renzi unmißverständlich seinen Anhängern
angedroht.
Die Parteimitglieder müssen also das Diktat eines
Wahlgesetzes hinunterschlucken, das den Fußabdruck eines Kriminellen hat. Es
kursiert schon ein Wortspiel als Paraphrase des Leninistischen Spruch, („Die
Arbeiterklasse muss alles Leiten“),
wonach die PD Mitglieder müssen ebenfalls „... digerire tutto“
auf Italienisch heißt nämlich „digerire“ (verdauen) und „dirigere“
(leiten) “.
Die entscheidende
Frage ist: wie lange noch werden die echten Demokraten und linksorientierten
Wähler diese Farce der PD ertragen und
sich weiterhin weigern, die Tatsache des Todes dieser Partei anzuerkennen?
Oder werden sie sich frei vom Parteizwang ebenfalls in einer
Bewegung formieren, die ähnlich wie die M5S das Land aufrüttelt und die
korrupte-kriminelle-unfähige Kumpanei der jetzigen Parteien insgesamt
liquidiert.
Denn wenn die
fortschrittlichen Demokraten sich nicht bald daran machen, die Demokratie
wieder einzuführen und der Korruption ein Ende zu setzen, wird dies die Faschistische
Rechte tun: "Gallia docet", Marie Le Pen ist das erschreckende
Beispiel, wie eine rechtsorientierte Partei
aus der Unfähigkeit der linken
Kräfte die Wähler an sich bindet , und ohne ein Wunder ist leicht vorauszusehen, dass sie die nächsten Wahlen
gewinnen wird.
Die Zeiten drängen, aber die Linke und die Demokraten scheinen so zu
handeln wie die Priester in Bisanz, die so vertieft über die theologische Grundfrage diskutierten,
welchen Sex die Engel haben möchten,
dass sie gar nicht gemerkt hatten, dass die Türken die Stadt inzwischen
eingenommen hatten.
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