Zurück zu den Kleinstaten Italiens? Nein, aber daraus eine Lehre auch für die Europäische Union.
Ritorno all'Italia pre-risorgimentale? No, ma una lezione utile anche all'Unione Europea.
Vorbemerkung
Die Republik Venetien und das Konigreich
von Neapel und Sizilien waren sicher - den damaligen Zeiten und Umständen
entsprechen - vorher besser verwaltet und deren Bürger ging nachweislich
besser, als nachher unter der Herrschaft des Königs von Piemont und Sardinien.
Die "Plebisciti" (Volksbegehren) für die faktische Annexion der
eroberten Gebieten, wie die Historiker beweisen, waren vergleichbar korrekt wie
die Wahlen in Nord Korea in unseren Tagen. Die Invasion und gewaltsame
Zerstörung der existierenden Verwaltungstrukturen in den besetzten Gebieten
fand in Kalabrien und Sizilien einen ungeheuerlich harten Widerstand, mehrere
Jahre mußte die Hälfte der Piemontesische Armee dort kämpfen, um mit den
brutalsten methoden diesen Widerstand zu brechen. Darüber ist in den
Schulbüchern wenig zu lesen, denn darin ist die Rede noch heutzutage von
"Briganti" (die damalige Bezeichnung, heute würde man sie einfach
"Terroristen" nennen), also von undankbaren unpatriotischem Gesindel,
der die Vorzüge der Annexion ihres Landes nicht erkennen wollten. Die Lage
entschärfte sich lediglich dann, als angesichts der überwältigende militärische
Ümermacht eine riesige Migration stattfand, eine Flüchtligswelle in
Millionenhöhe nach Nord- und Südamerika.
Grillos Vorschlag
In einem seiner "posts" hat
Beppe Grillo (Gründer der Bewegung 5 Sterne, danach M5S, die Möglichkeit der
Rückkehr zu den Kleinstaaten die vor der Wiedervereinigung im Jahre 1861 die
italienische Halbinsel unter sich teilten.
Dieser Vorschlag ist aus der Geschichte
Italiens zu betrachten und offensichtlich als Provokation zu verstehen.
Es ist also kein konkretes Ziel, weder
jetzt noch in ferner Zukunft, sondern nur eine Erinnerung an ungelösten
Versprechen: Italien als ganze steht jetzt schlechter da als vorher, als
noch unter mehreren Kleinstaaten geteilt war. Es ist als Klage gegen die
heutige Zuständen und nicht als Wunsch, die Geschichte rückgängig zu machen.
Und vielmehr, dies ist kein Ziel der Bewegung 5 Sterne.
Es ist kein Geheimnis mehr, dass Grillo
& Casaleggio die Bewegung 5 Sternen zwar gegründet und zu einer nicht mehr
wegzudenkende parlamentarische Kraft gemacht haben, aber darüber hinaus die
gewählten Vertreter dieser M5S sich langsam aber unübersehbar selbständig
machen.
Damit sind nicht diejenigen Profiteure
gemeint, die die M5S verlassen, um ihr Gehalt als Parlamentarier nicht kürzen
zu müssen (denn die M5S Abgeordnete haben sich als einizige Partei die Diäten
halbiert), sonder diejenigen der M5S Abgeordnete, die im Parlament Politik
machen, indem zwar jede Bindung mit anderen Pareteien vemeiden, aber
Gesetzentwürfe für die Überwindung der unerträgliche wirtschaftliche und
soziale Lage vorbereiten.
Dass fast alle ihre Gesetzvorlagen
regelmäßig von der Regierung abgelehnt werden ist kein Wunder, denn keine der
etablierten Parteien wollen ihre Privilegien verlieren, koste es Italien was es
wolle, es gilt immer offensichtlicher die Ansicht, „apres moi le deluge“.
Politische Handlungen sind in Italien
daher leider nur noch wahrgenommen, wenn sie als Kompromiss verkommen, also es
gilt als Nichttuer wer nur die faule und unerträgliche Umstände denunziert und
bekanntmacht, also die Rolle übernimmt, die eigentlich eine kritische und
unabhängige Presse ausüben müsste, die aber in Italien längst nicht mehr gibt.
Es ist leicht eine neue Bewegung zu kritisieren, die dabei ist, wie die M5S, im
parlamentarischen und politischen Inferno Italiens zu lernen wie man saubere
und kompromislose Politik macht.
Eine Identifikation dieser Bewegung mit
ihren Gründern Grillo und Casaleggio ist also so wenig angebracht, wie die der
PD (ehemalige Kommunisten) mit der Hausmarionette von Berlusconi, alias
jetziger Ministerpäsiden Renzi: denn trotz alledem, ist in der PD hoffentlich
nicht alles endgültig faul. Und in der M5S sind gundsätzlich Leute die mit der
faulen Politik der etablierten Parteien Schluß machen wollen.
Gerade auf der Kommunalen und
Regionalen Ebene sind aber die größten Chancen, dass in Italien eine Erneuerung
starten könnte, und gerade durch die M5S.
Aber sicher nicht durch die von Grillo
anwisierte formelle-Institutionelle Teilung Italiens, dies steht
garantiert nicht zur Debatte, und zwar aus zwei deutlichen Gründen:
1) ökonomisch und kulturell ist diese
Trennung seit der Wiedervereinigung Italiens nie überwunden worden, also
konkret (wirtschaftlich) ist diese Teilung da, und ist trotz gegenteiligen
Behauptungen den Profiteuren der Macht willkommen („divide et impera“),
2) trotz dieser konkreten Teilung (oder
gerade deswegen), ist eine politische Formelle Wiedereinführung von
lokalen Machthabern nicht denkbar und fände keine Mehrheit, weder im Parlament
noch in der Bevölkerung, selbst wenn unformelle Referendums, wie neulich in
Venetien, dies angeblich beweisen wollen: die separatistische „Lega Nord“ ist
kläglich gescheitert, zum Glück, und die bekannt gewordene Korruption ihrer
Vertreter hat offengelegt, dass am Ende, nach einer Teilung, der einige
Unterschied wäre "Milano ladrona" („diebische Mailand“, Zentrum
dieser Partei) statt "Roma ladrona" gewesen. Und wirtschaftlich
ist ein unterentwickelter Süden Italiens eine für den industrialisierten Norden
notwendige Reserve von „Arbeitskräften auf Abruf„ wenn die jetzigen
Produktionsverhältnissen beibehalten werden sollen (also eine innere
„neokoloniale Arbeitsverteilung“ die seit der Wiedervereinigung 1861 nie
überwunden wurde, denn keine der bisherigen Regierungen hat die nie ernsthaft
ändern wollen oder können).
Eine Spaltung Italiens steht also formell
nicht an der Tagesordnung.
Aber mehr und bessere Autonomie und eine
ganze andere Wirtschaftpolitik ist bitter nötig, um die Unterentwicklung des Südens zu beenden, denn es ist nicht auszuschließen, dass eines
Tages die Lage so unerträglich wird, dass es tatsächlich zu einer Spaltung
kommen könnte.
Mehr Autonomie ist auch für die EU die
einzige Lösung
Die Autonomie auf der lokalen Ebene wie
in der Schweiz seit Jahrhunderten praktiziert wird, ist zwar nicht der
Garten von Eden, aber immerhinn das einzige Beispiel von wahrer Demokratie im
europäischen Kontinent (und es ist kein Zufall, dass gerade die Schweizer sich
entchieden gegen den Anschluß an die EU weigern, denn sie wollen nicht ihre
bewährte Demokratie verlieren, nicht jedenfalls an die von den Banken,
Finanzjongleuren, Lobbisten und antidemokratischen Politikern in
Bruxelles).
Wenn
Italien durch einen demokratischen Zusammenschluß der verschiedenen Staaten und
nicht durch eine militärische Invasion aus dem Norden (Piemont) entstanden wäre,
hätten die Italiener weder den Ersten Weltkrieg noch den Faschismus erleben müssen,
ebenfalls nicht den 90- jährigen Greise als Präsident, der den endgültig
verurteilten und für das Gefängnis bestimmte Berlusconi problemlos öffentlich
empfängt und mit ihm Verfassungsänderungen berät (!). Diese Personen, sowie
Berlusconis Diener und jetziger Ministerpräsident Renzi hätten höchstens auf
Leientheaterbühnen als Clowns auftreten dürfen.
Auch
eine Lehre für die EU
Wir
sehen nur allzudeutlich am heutigen Beispiel der EU, was es leider bedeutet,
wenn Staaten ihre Souveränität an eine übernationale Burokratie abgeben: es
entsteht ein Monster, der die Demokratie im Keim vernichtet. Gegen diese
ungewollte Entwicklung sind dann die einzelnen Staaten wie Zauberlerlinge
ohnmächtig.
Die
meisten meiner Generation, die in den ersten Jahren nach Kriegsende geboren
wurden, setzten ihre größte Hoffnung in ein vereinigtes Europa als Föderalistische
Zusammenschluß der Nationen ohne Aufgabe der jeweiligen nationalen Autonomien,
und so war es auch in den ersten Phasen der EU.
Aber
noch wichtiger: die EU sollte eine unabhängige und dritte Macht bleiben, um die
Konfrontation zwischen der USA und der UDSSR nicht eskalieren zu lassen,
während mit der Zeit andere Bündnisse als vierte oder fünfte Mächt das
Gleichgewicht international zusetzlich absichern würden.
Leider
hat sich dagegen die EU der USA als treue und unkritische Dienerin völlig
unterworfen, und dadurch die Garantie des internationalen Gleichgewicht am gefährlichsten
gebrochen.
Es
bleibt also nichts Anderes übrig, als die jetzige burokratisch verkommene
Ungestalt der EU gründlich zu verändern, und dies erfordet nicht weniger
als eine Rückkehr zu den Ausgangspositionen, also die Abschaffung aller Verträge,
die die jetzigen falsche Entwicklung ermöglicht haben: Ein zurück VOR
Maastricht, und eine Neuverhandlung unter Beachtung der Gründungsvertrag von
1957.
Eine
Fortführung der EU unter den heutigen Verträgen wird dagegen genau dorthin führen,
wo die UDSSR gescheitert ist: zu ihrer Auflösung. Und es ist gar nicht
auszuschließen, dass die USA genau darauf spekulieren, denn wer nicht unter Gedächtsnisschwung
leidet, dürfte nicht vergessen haben, was damals (2003) Mr. Cheney als
Sprachrohr von W. Bush angesichts der Weigerung Deutschland und Frankreich, die
USA bei der kriminellen Invasion Irak beizustehen sagte: "Wir setzen
unsere Hoffnung auf das Neue Europa" (gemeint waren Polen, Tschechien, die
Baltischen Staaten und Rumänien), das Alte Europa interessiert uns nicht
mehr". Eine deutlichere Spaltungsabsicht kann man sich nicht vorstellen !
Es
ist also tragischerweise gut möglich, dass die Rettung der EU vor ihren Irrlauf
gerade vonden "antieuropäischen
Parteien" – wie von den Medien die EU Kritiker herabwürdigend und falsch
bezeichnet werden - bei der kommenden
Wahl im Mai kommen wird, in Italien wird dies die M5S sein.
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