Donnerstag, 3. April 2014

 Zurück zu den Kleinstaten Italiens? Nein, aber daraus eine Lehre auch für die Europäische Union.

Ritorno all'Italia pre-risorgimentale? No, ma una lezione utile anche all'Unione Europea.



Vorbemerkung

Die Republik Venetien und das Konigreich von Neapel und Sizilien waren sicher - den damaligen Zeiten und Umständen entsprechen - vorher besser verwaltet und deren Bürger ging nachweislich besser, als nachher unter der Herrschaft des Königs von Piemont und Sardinien. Die "Plebisciti" (Volksbegehren) für die faktische Annexion der eroberten Gebieten, wie die Historiker beweisen, waren vergleichbar korrekt wie die Wahlen in Nord Korea in unseren Tagen. Die Invasion und gewaltsame Zerstörung der existierenden Verwaltungstrukturen in den besetzten Gebieten fand in Kalabrien und Sizilien einen ungeheuerlich harten Widerstand, mehrere Jahre mußte die Hälfte der Piemontesische Armee dort kämpfen, um mit den brutalsten methoden diesen Widerstand zu brechen. Darüber ist in den Schulbüchern wenig zu lesen, denn darin ist die Rede noch heutzutage von "Briganti" (die damalige Bezeichnung, heute würde man sie einfach "Terroristen" nennen), also von undankbaren unpatriotischem Gesindel, der die Vorzüge der Annexion ihres Landes nicht erkennen wollten. Die Lage entschärfte sich lediglich dann, als angesichts der überwältigende militärische Ümermacht eine riesige Migration stattfand, eine Flüchtligswelle in Millionenhöhe nach Nord- und Südamerika.  

Grillos Vorschlag
In einem seiner "posts" hat Beppe Grillo (Gründer der Bewegung 5 Sterne, danach M5S, die Möglichkeit der Rückkehr zu den Kleinstaaten die vor der Wiedervereinigung im Jahre 1861 die italienische Halbinsel unter sich teilten.
Dieser Vorschlag ist aus der Geschichte Italiens zu betrachten und offensichtlich als Provokation zu verstehen.
Es ist also kein konkretes Ziel, weder jetzt noch in ferner Zukunft, sondern nur eine Erinnerung an ungelösten Versprechen: Italien als ganze steht jetzt schlechter da als vorher, als noch unter mehreren Kleinstaaten geteilt war. Es ist als Klage gegen die heutige Zuständen und nicht als Wunsch, die Geschichte rückgängig zu machen. Und vielmehr, dies ist kein Ziel der Bewegung 5 Sterne.
Es ist kein Geheimnis mehr, dass Grillo & Casaleggio die Bewegung 5 Sternen zwar gegründet und zu einer nicht mehr wegzudenkende parlamentarische Kraft gemacht haben, aber darüber hinaus die gewählten Vertreter dieser M5S sich langsam aber unübersehbar selbständig machen. 
Damit sind nicht diejenigen Profiteure gemeint, die die M5S verlassen, um ihr Gehalt als Parlamentarier nicht kürzen zu müssen (denn die M5S Abgeordnete haben sich als einizige Partei die Diäten halbiert), sonder diejenigen der M5S Abgeordnete, die im Parlament Politik machen, indem zwar jede Bindung mit anderen Pareteien vemeiden, aber Gesetzentwürfe für die Überwindung der unerträgliche wirtschaftliche und soziale Lage vorbereiten.
Dass fast alle ihre Gesetzvorlagen regelmäßig von der Regierung abgelehnt werden ist kein Wunder, denn keine der etablierten Parteien wollen ihre Privilegien verlieren, koste es Italien was es wolle, es gilt immer offensichtlicher die Ansicht, „apres moi le deluge“.     
Politische Handlungen sind in Italien daher leider nur noch wahrgenommen, wenn sie als Kompromiss verkommen, also es gilt als Nichttuer wer nur die faule und unerträgliche Umstände denunziert und bekanntmacht, also die Rolle übernimmt, die eigentlich eine kritische und unabhängige Presse ausüben müsste, die aber in Italien längst nicht mehr gibt. Es ist leicht eine neue Bewegung zu kritisieren, die dabei ist, wie die M5S, im parlamentarischen und politischen Inferno Italiens zu lernen wie man saubere und kompromislose Politik macht. 
Eine Identifikation dieser Bewegung mit ihren Gründern Grillo und Casaleggio ist also so wenig angebracht, wie die der PD (ehemalige Kommunisten) mit der Hausmarionette von Berlusconi, alias jetziger Ministerpäsiden Renzi: denn trotz alledem, ist in der PD hoffentlich nicht alles endgültig faul. Und in der M5S sind gundsätzlich Leute die mit der faulen Politik der etablierten Parteien Schluß machen wollen.
 Gerade auf der Kommunalen und Regionalen Ebene sind aber die größten Chancen, dass in Italien eine Erneuerung starten könnte, und gerade durch die M5S. 
Aber sicher nicht durch die von Grillo anwisierte formelle-Institutionelle Teilung Italiens, dies steht  garantiert nicht zur Debatte, und zwar aus zwei deutlichen Gründen:

1) ökonomisch und kulturell ist diese Trennung seit der Wiedervereinigung Italiens nie überwunden worden, also konkret (wirtschaftlich) ist diese Teilung da, und ist trotz gegenteiligen Behauptungen den Profiteuren der Macht willkommen („divide et impera“),

2) trotz dieser konkreten Teilung (oder gerade deswegen),  ist eine politische Formelle Wiedereinführung von lokalen Machthabern nicht denkbar und fände keine Mehrheit, weder im Parlament noch in der Bevölkerung, selbst wenn unformelle Referendums, wie neulich in Venetien, dies angeblich beweisen wollen: die separatistische „Lega Nord“ ist kläglich gescheitert, zum Glück, und die bekannt gewordene Korruption ihrer Vertreter hat offengelegt, dass am Ende, nach einer Teilung, der einige Unterschied wäre "Milano ladrona" („diebische Mailand“, Zentrum dieser Partei) statt "Roma ladrona" gewesen.  Und wirtschaftlich ist ein unterentwickelter Süden Italiens eine für den industrialisierten Norden notwendige Reserve von „Arbeitskräften auf Abruf„ wenn die jetzigen Produktionsverhältnissen beibehalten werden sollen (also eine innere „neokoloniale Arbeitsverteilung“ die seit der Wiedervereinigung 1861 nie überwunden wurde, denn keine der bisherigen Regierungen hat die nie ernsthaft ändern wollen oder können). 
Eine Spaltung Italiens steht also formell nicht an der Tagesordnung.
Aber mehr und bessere Autonomie und eine ganze andere Wirtschaftpolitik ist bitter nötig,  um die Unterentwicklung des Südens zu beenden,  denn es ist nicht auszuschließen, dass eines Tages die Lage so unerträglich wird, dass es tatsächlich zu einer Spaltung kommen könnte. 

Mehr Autonomie ist auch für die EU die einzige Lösung
Die Autonomie auf der lokalen Ebene wie in der Schweiz seit  Jahrhunderten praktiziert wird, ist zwar nicht der Garten von Eden, aber immerhinn das einzige Beispiel von wahrer Demokratie im europäischen Kontinent (und es ist kein Zufall, dass gerade die Schweizer sich entchieden gegen den Anschluß an die EU weigern, denn sie wollen nicht ihre bewährte Demokratie verlieren, nicht jedenfalls an die von den Banken, Finanzjongleuren, Lobbisten und antidemokratischen Politikern in Bruxelles). 
Wenn Italien durch einen demokratischen Zusammenschluß der verschiedenen Staaten und nicht durch eine militärische Invasion aus dem Norden (Piemont) entstanden wäre, hätten die Italiener weder den Ersten Weltkrieg noch den Faschismus erleben müssen, ebenfalls nicht den 90- jährigen Greise als Präsident, der den endgültig verurteilten und für das Gefängnis bestimmte Berlusconi problemlos öffentlich empfängt und mit ihm Verfassungsänderungen berät (!). Diese Personen, sowie Berlusconis Diener und jetziger Ministerpräsident Renzi hätten höchstens auf Leientheaterbühnen als Clowns auftreten dürfen.   

Auch eine Lehre für die EU
Wir sehen nur allzudeutlich am heutigen Beispiel der EU, was es leider bedeutet, wenn Staaten ihre Souveränität an eine übernationale Burokratie abgeben: es entsteht ein Monster, der die Demokratie im Keim vernichtet. Gegen diese ungewollte Entwicklung  sind dann die einzelnen Staaten wie Zauberlerlinge ohnmächtig. 
Die meisten meiner Generation, die in den ersten Jahren nach Kriegsende geboren wurden, setzten ihre größte Hoffnung in ein vereinigtes Europa als Föderalistische Zusammenschluß der Nationen ohne Aufgabe der jeweiligen nationalen Autonomien, und so war es auch in den ersten Phasen der EU.
Aber noch wichtiger: die EU sollte eine unabhängige und dritte Macht bleiben, um die Konfrontation zwischen der USA und der UDSSR  nicht eskalieren zu lassen, während mit der Zeit andere Bündnisse als vierte oder fünfte Mächt das Gleichgewicht international zusetzlich absichern würden.  
Leider hat sich dagegen die EU der USA als treue und unkritische Dienerin völlig unterworfen, und dadurch die Garantie des internationalen Gleichgewicht am gefährlichsten gebrochen. 
Es bleibt also nichts Anderes übrig, als die jetzige burokratisch verkommene Ungestalt der EU gründlich zu verändern, und dies erfordet nicht weniger als eine Rückkehr zu den Ausgangspositionen, also die Abschaffung aller Verträge, die die jetzigen falsche Entwicklung ermöglicht haben: Ein zurück VOR Maastricht, und eine Neuverhandlung unter Beachtung der Gründungsvertrag von 1957.
Eine Fortführung der EU unter den heutigen Verträgen wird dagegen genau dorthin führen, wo die UDSSR gescheitert ist: zu ihrer Auflösung. Und es ist gar nicht auszuschließen, dass die USA genau darauf spekulieren, denn wer nicht unter Gedächtsnisschwung leidet, dürfte nicht vergessen haben, was damals (2003) Mr. Cheney als Sprachrohr von W. Bush angesichts der Weigerung Deutschland und Frankreich, die USA bei der kriminellen Invasion Irak beizustehen  sagte: "Wir setzen unsere Hoffnung auf das Neue Europa" (gemeint waren Polen, Tschechien, die Baltischen Staaten und Rumänien), das Alte Europa interessiert uns nicht mehr". Eine deutlichere Spaltungsabsicht kann man sich nicht vorstellen !     
Es ist also tragischerweise gut möglich, dass die Rettung der EU vor ihren Irrlauf gerade vonden  "antieuropäischen Parteien" – wie von den Medien die EU Kritiker herabwürdigend und falsch bezeichnet werden -  bei der kommenden Wahl  im Mai kommen wird, in Italien wird dies die M5S sein.     

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen