Donnerstag, 3. Oktober 2013

 (Un)vernunftehe PDL- PD als Wiederbelebungsversuch eines Komapatienten (Regierung Letta). Wie lange bis zur Neuwahlen ? 



Allen Unkenrufe zum Trotz: Italien kann es ohne Regierung unmöglich schlechter gehen als vorher. Denn angesichts der Nullleistungen der Regierung Letta kann man die Lage Italiens ohne diese Regierung nicht wirklich als dramatisch bezeichnen: es ist lediglich noch offenkundiger, dass ein solcher sinnloser Versuch nicht lange dauern kann.
Beppe Grillo (M5S) hatte 6 Monate prognostiziert, bis zum ersten Eklat sind es lediglich 5 gewesen. Mindestens diesmal kann man fürwahr  Grillo Pessimismus nicht vorwerfen. 
Aber dann gipfelte diese schon schlüpfrige Komödie bei der Vertrauensabstimmung am Mittwoch 3.Oktober in eine kaum zu überbietende Farse als nach einem hin-und her am Ende Berlusconi sich für die Rettung der Regierung aussprach, und zwar nachdem er Uneinigkeit in seiner eigenen Partei feststellen musste.
Aber was für eine Rettung ! Die schon als Geisel Berlusconis geltende Demokratische Partei PD ist jetzt vollkommen dem Diktat der PDL ausgeliefert, die trotz aller noch möglichen inneren Uneinigkeiten ein einziges Ziel hat, nämlich die Erhaltung der Macht, damit sie zusammen mit der PD ihre weiteren Interessen verfolgen kann, was als Ergebnis die Ausplünderung und  den Verfall Italiens bedeutet. 
PD und PDL haben jetzt praktisch auf Lebzeiten fusioniert: und wie immer in Italien, sind es die Komiker , die die Wahrheit als erste erkennen und kundtun.
Der Nobelpreisträger für Literatur Dario Fo hat es auf den Punkt gebracht: "Die Demokraten und Berlusconi sind seit Jahren zusammen. Nach der Verbindung in dieser Regierung können also heiraten. Hoffen wir mindestens, dass sie keine Kinder zur Welt bringen."

Die Aussichten dieser zusammengebastelten Regierung, trotz aller Beteuerungen der Beteiligten (darunter der Staatspresident - der eigentliche Schöpfer dieser wackeligen wenn nicht perverse politische Ehe) hängen an einem eizigen Faden: die reine Erhaltung der Macht. Für den endgültigen Sturz wird es also genügen, dass Berlusconi PDL eine Machtalternative findet (es mangelt nicht an Phantasie in dieser Partei !) und die Ehe mit der PD wird genauso unwürdig enden wie sie angefangen hat.
Was also die beteuerte Regierungsfähigkeit betrifft, macht sich keiner Illusionen, am wenigsten die ausländischen Investoren und die Finanzwelt, denn unter Stabilität versteht man etwas anderes als diese Farce.
Fragt man sich, welche Aufgabe diese Regierung erledigen kann, und schaut man dabei auf die zurückliegende Zeit seit dem Anfang des von der EU aufgezwungenen Monti-Kabinetts, sieht man deutlich, dass die eigentliche Aufgabe der italienischen Regierungen danach lediglich darin bestand, die Verordnungen der internationalen Finanzakteure, durch die EU ausgesprochen,  mehr schlecht als recht in die Tat umzusetzen, ohne wenn und aber.
Diese Aufgaben sind also nicht politischer sondern lediglich notarieller Art: "passacarte" (Dokumenten-Handlanger) ist der italienische Ausdruck für diese Art von Aufgaben, und die italienischen Regierungen sind damit zu Quisling-kollaborateuren degradiert.
Die Ergebnisse dieser "Quisling-Regierungen" sind für die italienische Ökonomie und Gesellschaft dabei verherend: eine kontinuierlich wachsende Staatsverschuldung (aber sollten nicht die ungeheuerlichen Opfer der Sparpolitik das Gegenteil erreichen ?!), die höchste historische Arbeitslosigkeit, 12,2 % insgesamt und, was schlimmer ist, 40,1 % unter den Jugendlichen, also keine denkbare Zukunft für fast die Hälfte dieser Generation, die kontinuierliche Schließung von Betrieben und schließlich die wachsende Anzahl von Familien, die unter der Armutsgrenze überleben müssen.
Ungeachtet dieser Verarmung weigern sich bisher alle politischen Parteien hartnäckig, selbst eine minimale Reduzierung ihrer Abgeordneten-Diäten vorzunehmen (außer der "Bewegung 5 Sterne", dessen Abgeordnete auf die Hälfte verzichtet haben).
Die Situation ist also alles andere als beruhigend. Es bleibt zu hoffen, dass bald die sich anhäufenden Widersprüche diese unerträgliche Lage sprengen, und es zu Neuwahlen kommen kann.
Aber selbst dann darf man sich keine Illusionen machen: kaum ein Volk ist im Wahlverhalten so konservativ wie die Italiener, die tendenziell der einmal gewählten Partei die gleiche Treue erweisen, wie Fans ihrer Fußballmannschaft.
Neuwahlen könnten aber mindestens eine Klärung bieten, denn sie kämen einer Art „Volkszählung“ gleich. Ein wenig vereinfacht, würde man erfahren, wieviele es sind:

1) die Masochisten(Einfältigen/Unbelehrbaren): diese werden bestimmt  Berlusconis Hauspartei PDL wieder wählen, irgend ein Versprechen wird sich der Schamane B. für seine treue Gefolgschaft von Einfältigen einfallen lassen ;

2) die Angehörigen der unerschütterten Glaubensgemeinschaft, die immer noch an die PD als Linke Opposition glaubt, trotz aller Gegenbeweise, die selbst ein Kind leicht durchschauen kann (wo sonst auf der Welt hat eine demokratische Partei eine Regierung mit einem endgültig verurteilten Delinquenten gebildet ?!);

3) die Bürger, die es satt haben, das Schicksal Italiens in den Händen der allesamt korrupten Parteien weiter zu überlassen und selber aktiv werden, indem sie entweder selbst kandidieren oder die einzige vorhandene wahre Opposition wählen, die Bewegung 5 Sterne.

Sollten dann die „5 Sterne“ die Mehrheit erhalten und regierungsfähig werden, könnten alle  Bedenken über diese bisher abwertend und verachtend als „grillini“ bezeichnete Bewegung endlich offen diskutiert werden, denn sobald die TV nicht mehr Sklave des bestehenden korrupten Systems wäre, würde man die jetzt ignorierten Tatsachen öffentlich bekannt geben können und mit der  Verdrehung der Wahrheit aufhören.
Kein Zweifel, wie die ausländische Presse schon längst erkannt hat, würde es sich bald herausstellen, dass die Beschuldigungen über die 5 Sterne Bewegung ausschließlich heuchlerische Vorwände sind, wenn nicht vollkommen falsche Behauptungen und  platte Lügen,  die von denjenigen erfunden und gestreut werden, die auf das Fortbestehen des jeztigen korrupten Parteisystems  existentiell angewiesen sind.
Man hat z.B. den Urhebern dieser Bewegung, Grillo und Casaleggio vorgeworfen, undemokratisch die Freiheit der Abgeordneten  einschränken zu wollen, indem sie lediglich auf die von ihnen unterschriebenen Vereinbarungen erinnerten, die Grundlage für deren Kandidatur waren, und an die Wahversprechungen der Bewegung („keine Koalition mit den bestehenden Parteien“).
Dieser „undemokratischen Einmischung“ – Vorwurf ist die reinste Heuchelei, wenn man bedenkt, dass er gerade von den anderen Parteien kommt, die die Unterwerfung ihrer Abgeordneten alltäglich nur noch mit einem ungeheuren Druck und mit Drohungen erreichen.
Die Berlusconis hausgemachte und seinem Wirtschaftsimperium dienende Partei PDL z.B. hat sogar Treue-Erklärungen unterschreiben lassen, damit ihre Abgeordneten der Versuchung nicht unterliegen, einmal auf das eigene Gewissen (falls vorhanden !) zu hören und vielleicht die „ad personam“ schamlosen Gesetze und Entscheidungen  ablehnen, die offensichtlich lediglich der Rettung eines Delinquenten dienen.
Die sich selbst vollmundig als „Demoktarische Partei“ bezeichnende PD hat ebenfalls ihre eigenen Abgeordneten gemahnt, denn bei einer Geheimabstimmung (Wahl des Präsidenten der Republik) kam deutlich heraus, dass die Gefolgschaft nicht mehr sicher war.

Italiens Probleme sind gewaltig, aber die dritte Ökonomie Europas könnte mit einer unkorrupten und vernünftigen Regierung  alle sicherlich und ziemlich schnell lösen. Dafür müssten die richtigen Leute an die Macht kommen.
Und eben hier liegt das Problem: ohne freie Medien keine freie Wahl und keine demokratische und dem Volkk dienende Regierung.

Das erste und dringendste Problem Italiens ist also die Befreiung der Presse - nachweislich die unfreiste in ganz Europa (und weltweit in unwürdiger Position: Platz 70 von 170 Staaten)  – die nur noch dank der Subventionen des Regimes überleben.
Das gleiche und vielleicht umso mehr, angesichts der geringen Verbreitung der Tageszeitungen, gilt für das regimetreue TV.
Diese unrühmliche Unfreiheit der Medien wäre eine Schande für jede wahre Demokratie: aber von Demokratie im eigentlichen Sinne kann man in Italien nach 20 Jahren Berlusconismus (was nur dank der dienerisch und sich freiwillig unterworfenen „linken“ Opposition möglich war) nicht mehr reden: diese ist lediglich zur Makulatur geworden. 
(Graziano Priotto- Radolfzell/Prag)