(Un)vernunftehe PDL- PD als Wiederbelebungsversuch eines
Komapatienten (Regierung Letta). Wie lange bis zur Neuwahlen ?
Allen
Unkenrufe zum Trotz: Italien kann es ohne Regierung unmöglich schlechter gehen
als vorher. Denn angesichts der Nullleistungen der Regierung Letta kann man die
Lage Italiens ohne diese Regierung nicht wirklich als dramatisch bezeichnen: es
ist lediglich noch offenkundiger, dass ein solcher sinnloser Versuch nicht
lange dauern kann.
Beppe
Grillo (M5S) hatte 6 Monate prognostiziert, bis zum ersten Eklat sind es
lediglich 5 gewesen. Mindestens diesmal kann man fürwahr Grillo Pessimismus nicht vorwerfen.
Aber
dann gipfelte diese schon schlüpfrige Komödie bei der Vertrauensabstimmung am
Mittwoch 3.Oktober in eine kaum zu überbietende Farse als nach einem hin-und
her am Ende Berlusconi sich für die Rettung der Regierung aussprach, und zwar
nachdem er Uneinigkeit in seiner eigenen Partei feststellen musste.
Aber
was für eine Rettung ! Die schon als Geisel Berlusconis geltende Demokratische
Partei PD ist jetzt vollkommen dem Diktat der PDL ausgeliefert, die trotz aller
noch möglichen inneren Uneinigkeiten ein einziges Ziel hat, nämlich die
Erhaltung der Macht, damit sie zusammen mit der PD ihre weiteren Interessen
verfolgen kann, was als Ergebnis die Ausplünderung und den Verfall Italiens bedeutet.
PD und PDL haben jetzt praktisch auf Lebzeiten fusioniert: und wie immer in
Italien, sind es die Komiker , die die Wahrheit als erste erkennen und kundtun.
Der Nobelpreisträger für Literatur Dario Fo hat es auf den Punkt gebracht:
"Die Demokraten und Berlusconi sind seit Jahren zusammen. Nach der
Verbindung in dieser Regierung können also heiraten. Hoffen wir mindestens,
dass sie keine Kinder zur Welt bringen."
Die Aussichten dieser zusammengebastelten Regierung, trotz aller Beteuerungen
der Beteiligten (darunter der Staatspresident - der eigentliche Schöpfer dieser
wackeligen wenn nicht perverse politische Ehe) hängen an einem eizigen Faden:
die reine Erhaltung der Macht. Für den endgültigen Sturz wird es also genügen,
dass Berlusconi PDL eine Machtalternative findet (es mangelt nicht an Phantasie
in dieser Partei !) und die Ehe mit der PD wird genauso unwürdig enden wie sie
angefangen hat.
Was also die beteuerte Regierungsfähigkeit betrifft, macht sich keiner
Illusionen, am wenigsten die ausländischen Investoren und die Finanzwelt, denn
unter Stabilität versteht man etwas anderes als diese Farce.
Fragt man sich, welche Aufgabe diese Regierung erledigen kann, und schaut man
dabei auf die zurückliegende Zeit seit dem Anfang des von der EU aufgezwungenen
Monti-Kabinetts, sieht man deutlich, dass die eigentliche Aufgabe der
italienischen Regierungen danach lediglich darin bestand, die Verordnungen der
internationalen Finanzakteure, durch die EU ausgesprochen, mehr schlecht als recht in die Tat
umzusetzen, ohne wenn und aber.
Diese
Aufgaben sind also nicht politischer sondern lediglich notarieller Art:
"passacarte" (Dokumenten-Handlanger) ist der italienische Ausdruck
für diese Art von Aufgaben, und die italienischen Regierungen sind damit zu
Quisling-kollaborateuren degradiert.
Die Ergebnisse dieser "Quisling-Regierungen" sind für die
italienische Ökonomie und Gesellschaft dabei verherend: eine kontinuierlich
wachsende Staatsverschuldung (aber sollten nicht die ungeheuerlichen Opfer der
Sparpolitik das Gegenteil erreichen ?!), die höchste historische
Arbeitslosigkeit, 12,2 % insgesamt und, was schlimmer ist, 40,1 % unter den
Jugendlichen, also keine denkbare Zukunft für fast die Hälfte dieser Generation,
die kontinuierliche Schließung von Betrieben und schließlich die wachsende
Anzahl von Familien, die unter der Armutsgrenze überleben müssen.
Ungeachtet
dieser Verarmung weigern sich bisher alle politischen Parteien hartnäckig,
selbst eine minimale Reduzierung ihrer Abgeordneten-Diäten vorzunehmen (außer
der "Bewegung 5 Sterne", dessen Abgeordnete auf die Hälfte verzichtet
haben).
Die Situation ist also alles andere als beruhigend. Es bleibt zu hoffen, dass
bald die sich anhäufenden Widersprüche diese unerträgliche Lage sprengen, und
es zu Neuwahlen kommen kann.
Aber
selbst dann darf man sich keine Illusionen machen: kaum ein Volk ist im
Wahlverhalten so konservativ wie die Italiener, die tendenziell der einmal
gewählten Partei die gleiche Treue erweisen, wie Fans ihrer Fußballmannschaft.
Neuwahlen könnten aber mindestens eine Klärung bieten, denn sie kämen einer Art
„Volkszählung“ gleich. Ein wenig vereinfacht, würde man erfahren, wieviele es
sind:
1)
die Masochisten(Einfältigen/Unbelehrbaren): diese werden bestimmt Berlusconis Hauspartei PDL wieder wählen,
irgend ein Versprechen wird sich der Schamane B. für seine treue Gefolgschaft
von Einfältigen einfallen lassen ;
2)
die Angehörigen der unerschütterten Glaubensgemeinschaft, die immer noch an die
PD als Linke Opposition glaubt, trotz aller Gegenbeweise, die selbst ein Kind
leicht durchschauen kann (wo sonst auf der Welt hat eine demokratische Partei
eine Regierung mit einem endgültig verurteilten Delinquenten gebildet ?!);
3)
die Bürger, die es satt haben, das Schicksal Italiens in den Händen der
allesamt korrupten Parteien weiter zu überlassen und selber aktiv werden, indem
sie entweder selbst kandidieren oder die einzige vorhandene wahre Opposition
wählen, die Bewegung 5 Sterne.
Sollten
dann die „5 Sterne“ die Mehrheit erhalten und regierungsfähig werden, könnten
alle Bedenken über diese bisher
abwertend und verachtend als „grillini“ bezeichnete Bewegung endlich offen
diskutiert werden, denn sobald die TV nicht mehr Sklave des bestehenden korrupten
Systems wäre, würde man die jetzt ignorierten Tatsachen öffentlich bekannt
geben können und mit der Verdrehung der
Wahrheit aufhören.
Kein
Zweifel, wie die ausländische Presse schon längst erkannt hat, würde es sich
bald herausstellen, dass die Beschuldigungen über die 5 Sterne Bewegung
ausschließlich heuchlerische Vorwände sind, wenn nicht vollkommen falsche
Behauptungen und platte Lügen, die von denjenigen erfunden und gestreut
werden, die auf das Fortbestehen des jeztigen korrupten Parteisystems existentiell angewiesen sind.
Man
hat z.B. den Urhebern dieser Bewegung, Grillo und Casaleggio vorgeworfen,
undemokratisch die Freiheit der Abgeordneten
einschränken zu wollen, indem sie lediglich auf die von ihnen
unterschriebenen Vereinbarungen erinnerten, die Grundlage für deren Kandidatur
waren, und an die Wahversprechungen der Bewegung („keine Koalition mit den
bestehenden Parteien“).
Dieser
„undemokratischen Einmischung“ – Vorwurf ist die reinste Heuchelei, wenn man
bedenkt, dass er gerade von den anderen Parteien kommt, die die Unterwerfung
ihrer Abgeordneten alltäglich nur noch mit einem ungeheuren Druck und mit
Drohungen erreichen.
Die
Berlusconis hausgemachte und seinem Wirtschaftsimperium dienende Partei PDL
z.B. hat sogar Treue-Erklärungen unterschreiben lassen, damit ihre Abgeordneten
der Versuchung nicht unterliegen, einmal auf das eigene Gewissen (falls
vorhanden !) zu hören und vielleicht die „ad personam“ schamlosen Gesetze und
Entscheidungen ablehnen, die
offensichtlich lediglich der Rettung eines Delinquenten dienen.
Die
sich selbst vollmundig als „Demoktarische Partei“ bezeichnende PD hat ebenfalls
ihre eigenen Abgeordneten gemahnt, denn bei einer Geheimabstimmung (Wahl des
Präsidenten der Republik) kam deutlich heraus, dass die Gefolgschaft nicht mehr
sicher war.
Italiens
Probleme sind gewaltig, aber die dritte Ökonomie Europas könnte mit einer
unkorrupten und vernünftigen Regierung
alle sicherlich und ziemlich schnell lösen. Dafür müssten die richtigen
Leute an die Macht kommen.
Und
eben hier liegt das Problem: ohne freie Medien keine freie Wahl und keine
demokratische und dem Volkk dienende Regierung.
Das
erste und dringendste Problem Italiens ist also die Befreiung der Presse -
nachweislich die unfreiste in ganz Europa (und weltweit in unwürdiger Position:
Platz 70 von 170 Staaten) – die nur
noch dank der Subventionen des Regimes überleben.
Das
gleiche und vielleicht umso mehr, angesichts der geringen Verbreitung der
Tageszeitungen, gilt für das regimetreue TV.
Diese
unrühmliche Unfreiheit der Medien wäre eine Schande für jede wahre Demokratie:
aber von Demokratie im eigentlichen Sinne kann man in Italien nach 20 Jahren
Berlusconismus (was nur dank der dienerisch und sich freiwillig unterworfenen
„linken“ Opposition möglich war) nicht mehr reden: diese ist lediglich zur
Makulatur geworden.
(Graziano Priotto-
Radolfzell/Prag)